Kolumbien:Demokratie-Schock

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In Umfragen kam Farc-Kandidat Londoño nie über die Zwei-Prozent-Schwelle hinaus. Außerdem ist er gesundheitlich schwer angeschlagen. Vor kurzem wurde er am Herzen operiert. (Foto: Sofia Toscano/dpa)

Sein Leben als Politiker hat sich der ehemalige Farc-Chef anders vorgestellt. Rodrigo Londoño tauschte seine Uniform gegen ein Sakko, doch seine Partei ist bei der Wahl chancenlos.

Von Boris Herrmann, Rio de Janeiro

Seine zweite Karriere als Politiker hatte sich der ehemalige Chef der Farc-Guerilla Rodrigo Londoño sicher anders vorgestellt. Sie scheint schon beendet zu sein, bevor sie richtig losging. Am Donnerstag zog der 59-Jährige seine Kandidatur für die kolumbianische Präsidentschaftswahl Ende Mai zurück. Die zur Partei umgewandelte Farc begründete den Schritt vor allem mit den gesundheitlichen Problemen. Londoño leidet an Herzproblemen, am Mittwoch musste er sich einer Bypassoperation unterziehen.

Dabei hatte es so vielversprechend begonnen. Londoño tauschte im vergangenen Jahr seine Uniform gegen einen Blazer, seine Farc-Partei die beiden Gewehre im Logo gegen eine Rose; statt mit Waffen wollte Londoño fortan mit Worten für eine gerechtere Gesellschaft kämpfen. Als er Ende 2016 mit dem kolumbianischen Präsidenten Juan Manuel Santos ein historisches Abkommen schloss, das den 52 Jahre alten Bürgerkrieg beendete, wurde er sogar als Kandidat für den Friedensnobelpreis gehandelt. Den erhielt Santos dann alleine, und auch sonst lösten sich die großen Träume schnell in Luft auf. Er und seine Farc-Leute erleben gerade einen Realitäts-Schock.

Bei den Parlamentswahlen am kommenden Sonntag stellen sie sich erstmals dem Votum der kolumbianischen Wähler - unter besonderen Bedingungen. Der Friedensvertrag garantiert der Farc-Partei je fünf Sitze in beiden Parlamentskammern. Unabhängig davon wird das Wahlergebnis aber zeigen, wie hoch die Unterstützung für die ehemaligen Guerilleros in der Bevölkerung ist. Die Farc will den Vorbehalt entkräften, sie bekäme ihre Sitze geschenkt. Sie startete deshalb eine Kampagne mit dem Ziel, die entsprechenden Stimmenanteile an den Urnen zu gewinnen. Doch der Plan dürfte scheitern.

"Wir wissen, dass den etablierten Parteien niemand mehr vertraut", sagt Londoño. Tatsache ist aber auch, dass die meisten Kolumbianer der Farc erst recht nicht über den Weg trauen. Ihre Leute wurden im Wahlkampf regelmäßig als "Mörder" beschimpft. Vor allem Londoño bekam die Wut zu spüren. Er ging als "Timo" auf Werbetour, einer Verniedlichung seines alten Kampfnamens "Timochenko". Viele Kolumbianer aber halten ihn weiter für einen Bösewicht, der zu Kriegszeiten unter anderem wegen Zwangsrekrutierung von Kindersoldaten verurteilt wurde, und nicht in die Politik gehört, sondern ins Gefängnis.

Sie bewarfen ihn mit Eiern, schlitzten die Reifen seines Wahlkampfmobils auf, Steine flogen. Londoño beschuldigt die rechtskonservative Partei Centro Democrático von Ex-Präsident Álvaro Uribe, Hass gezielt zu schüren. Die Farc musste ihren Wahlkampf aus Sicherheitsgründen jedenfalls abbrechen. Die frühere Guerilla wird wohl keinen Ersatzkandidaten für die Präsidentschaftswahl im Mai nominieren. Der Versuch, eine breite linke Bewegung hinter sich zu vereinen, scheiterte. In Umfragen kam "Timo" nie über zwei Prozent hinaus.

Mit den Parlamentswahlen am Wochenende dürfte sich das Feld jener Kandidaten lichten, die tatsächlich Chancen haben, im Mai die Nachfolge von Präsident Santos anzutreten. Es läuft auf einen stark polarisierten Zweikampf zwischen Iván Duque und Gustavo Petro hinaus. Duque, 41, repräsentiert die Gegner des Friedensprozesses. Petro, 57, ist die große Überraschung. Er führt jenen linken Anti-Establishment-Wahlkampf, mit dem eigentlich Londoño siegen wollte, und liegt in Umfragen vorne. Damit beweist er auch, dass man als ehemaliger Guerillero nicht automatisch chancenlos sein muss. Petro war Bürgermeister von Bogotá - und davor Mitglied der Rebellengruppe M-19.

© SZ vom 09.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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