Klimaschutz:Perfide

Die Macht der Industrie siegt wieder über die Vernunft.

Von Alexander Mühlauer

Miguel Arias Cañete teilt das Schicksal vieler EU-Politiker, dass ihn außerhalb der Brüsseler Blase kaum jemand kennt. Unter den 28 Kommissionsmitgliedern sticht der fürs Klima zuständige Spanier jedenfalls nicht gerade hervor. An seinem Aufgabengebiet liegt das nicht; eher daran, dass der EU-Kommissar lieber in seine Akten als in Fernsehkameras schaut. Umso überraschender war es, als Cañete vor einem Monat ankündigte, die Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2030 um 45 statt 40 Prozent reduzieren zu wollen. Das werde er den EU-Staaten vorschlagen, versprach der Kommissar. Wie es aussieht, hat er den Mund zu voll genommen. Cañete musste seine Idee zurückziehen. Der Widerstand aus Berlin, Warschau und anderen Hauptstädten war einfach zu groß.

Der Streit offenbart einmal mehr, wie es um die Kräfteverhältnisse in der Europäischen Union bestellt ist, wenn es um den Klimaschutz geht. Industrie-lobbyisten desavouierten Cañetes Vorschlag mit gewohnt perfiden Methoden und warnten die Staats- und Regierungschefs vor Arbeitsplatzverlusten. Über die Klimaziele könne man ja später verhandeln. So weit, so üblich.

Dass es so kommen musste, war wohl auch Cañete bewusst, als er den klimapolitisch absolut richtigen Vorschlag machte. Bleibt die Frage, warum der erfahrene Kommissar gegen Ende seiner Amtszeit damit an die Öffentlichkeit ging. Gut möglich, dass er wenigstens einmal auffallen wollte. Nun ist er umgefallen.

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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