Sozialwissenschaft:Ein Almanach voller Analysen

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Globale Trends im Blick hat der "Atlas der Zukunft". Die Autoren glauben, diese weltweiten Herausforderungen mit den richtigen Daten und Informationen in den Griff bekommen zu können. (Foto: Imago)

Der "Atlas der Zukunft" lädt ein zu einer enzyklopädischen Reise um die Welt.

Von Werner Hornung

Vor uns liegt ein mordsdickes Buch, das kaum zur Sofalektüre taugt. Es wiegt ungefähr vier Pfund und ist fast doppelt so groß wie die handelsübliche Pralinenschachtel. Wenn zudem der Titel stimmt, dann müsste darin ein "Atlas der Zukunft" stecken. Die englische Originalausgabe heißt übrigens bescheidener "Terra Incognita": unbekanntes Gebiet.

Verfasst haben diesen thematisch breit gefächerten Band der britische Sozialwissenschaftler Ian Goldin und sein kanadischer Kollege Robert Muggah. Beide nehmen uns mit auf eine enzyklopädische Reise um die Welt, aber keineswegs (wie es der Untertitel verspricht) in einem Atlas mit "100 Karten, um die nächsten 100 Jahre zu überleben". Nein, nein! Sie erklären vielmehr in einem Almanach globale Entwicklungen und Zustände; zahlreiche Grafiken, manchmal zu dunkle Satelliten-Aufnahmen und freilich auch Karten veranschaulichen dies. So führt ihr Kompendium ausführlich genug durch Epochen und Erdteile, übersichtlich geordnet hin zu dreizehn Sachgebieten.

Viele Querverweise und ein gutes Register

Schlägt man das voluminöse Buch auf, hat man zunächst Kapitel über Globalisierung, Klima, Urbanisierung, Technik/ Technologie, Ungleichheit, Geopolitik und Gewalt vor sich. Dann finden sich die Themengruppen Demografie, Migration, Ernährung und Gesundheit. Den Abschluss bilden schließlich Bildung und Kultur. Querverweise in den Texten und ein umfangreiches Register helfen dem Leser außerdem bei der gewünschten Auskunft.

Ian Goldin, Robert Muggah: Atlas der Zukunft. 100 Karten, um die nächsten 100 Jahre zu überleben. Aus dem Englischen von Tobias Rothenbücher. Dumont-Verlag, Köln 2021. 512 Seiten, 45 Euro. (Foto: N/A)

"Populisten und Schreihälse", die ja eh wenig lesen, würden sich über diese Lektüre ärgern. Die zwei Autoren haben nämlich umfassend recherchiert und belegen ihre differenziert formulierten Aussagen anhand glaubwürdiger Medien, zumeist mit wissenschaftlichen Publikationen. Zusätzlich ergänzen sie ihre Beiträge teils durch persönliche Erfahrungen. Der in Oxford lehrende Professor Ian Goldin etwa beschreibt am Beispiel seiner Studenten, wie sich die soziale Ungleichheit bereits beim Zugang an die Universitäten zeigt: "In Großbritannien stammen 80 Prozent der in Oxford und Cambridge Studierenden aus den beiden obersten Gesellschaftsklassen."

Das ist also kein herkömmlicher Atlas, sondern ein illustrierter Almanach voller informativer Analysen. Und bei der Vielzahl an Details schleichen sich schon mal Fehler ein. Beispielsweise sind Tunesien und Marokko kartografisch falsch eingezeichnet oder wird das zentralasiatische Kasachstan zu Europa gezählt. Aber nicht zu verzeihen und zum Schmunzeln ist folgender Satz auf Seite 262: "Die Sahelregion ist einer von mehreren Kanarienvögeln im Bergwerk drohender Klimakonflikte."

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