Karibik:Kalte Kriegsgrüße aus Moskau

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Um die Schließung des Stützpunktes in Lourdes auf Kuba gab es 2001 erbitterten Streit. Nun soll die Anlage womöglich wieder eröffnet werden. (Foto: Getty Images)

Russland kokettiert damit, wieder einen Militärstützpunkt auf Kuba zu eröffnen. Ob es dazu kommt, ist allerdings fraglich - die Annäherung der Kubaner an die USA würde davon sicher gestört.

Von Frank Nienhuysen und Sebastian Schoepp, München

Kaum vorstellbar derzeit, aber in den Archiven ist es nachlesbar: Russische Militärführer attackieren offen Präsident Wladimir Putin, weil ihnen sein gutes Verhältnis zu den Amerikanern nicht schmeckt. 23 Generäle und Admiräle beschuldigten Putin in einem Brief des "politischen Verrats". Was war passiert? Putin hatte angekündigt, er werde den russischen Militärstützpunkt auf Kuba schließen, 15 Jahre ist das nun her. Und er setzte sich durch. 2002 wurde die Basis in Lourdes bei Havanna geschlossen. Nun aber kokettiert Moskau mit einer Wende dieser historischen Wende.

Am Freitag erklärte der stellvertretende Verteidigungsminister Nikolaj Pankow, dass Russland sich mit der Frage einer Rückkehr beschäftige. Was der Kreml ausdrücklich nicht dementierte. "Die internationale Lage ist nicht statisch, sondern sehr beweglich", sagte Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow und ließ damit wohl bewusst der Fantasie freien Lauf. Pankow hatte zwar nicht nur über eine mögliche Rückkehr nach Kuba gesprochen, sondern auch nach Vietnam. Doch die Karibik elektrisiert in Moskau besonders stark und weckt Erinnerungen an den Machtkampf kalter Kriegszeiten. "Der russische Bär kehrt zurück", freut sich bereits der Sender Swesda (Stern) und verweist auf die klamme Zeit des russischen Militärs in den Neunzigerjahren, als "amerikanische Generäle ruhig Zigarren rauchen, Whiskey trinken und in ihren Lagezentren die Beine auf den Tisch legen konnten", weil sie glaubten, "den Dritten Weltkrieg zu ihren Gunsten beendet zu haben", während sie dem russischen Bär keine Aufmerksamkeit geschenkt hätten - "ein Fehler", wie der Sender findet.

Russland habe die Basis in Lourdes 2002 lediglich "eingefroren", sie könne innerhalb von wenigen Monaten wiederbelebt werden, zitiert der Sender einen ehemaligen Militäraufklärer. Der Stützpunkt beherbergte früher geschätzt 1500 russische Geheimdienstleute. Die meisten Militärexperten halten es für realistisch, dass künftig in Lourdes, nur etwa 150 Kilometer von der US-Küste entfernt, wie früher wieder Aufklärung betrieben wird. Anatolij Zyganok, Leiter des Moskauer Zentrums für militärische Prognosen, kann sich allerdings auch russische Raketen auf Kuba vorstellen. "Natürlich ist die Geschichte mit Kuba ein Instrument, um Druck auf die USA auszuüben. Die Amerikaner bedrohen Russland, indem die Nato sich unseren Grenzen annähert, Russland könnte das Gleiche tun", sagte er der Zeitung RBC.

Russische Raketen auf Kuba sind eines der heikelsten Kapitel der Weltgeschichte. 1962 drohte der sowjetische Machthaber Nikita Chruschtschow mit der Aufstellung von Atomraketen auf der Insel, was die Amerikaner als nicht hinnehmbare Provokation einstuften. Die Welt wähnte sich am Rande eines Atomkriegs - bis die Sowjets einlenkten. Doch blieben sie bis zum Ende der Sowjetunion Anfang der 1990er-Jahre quasi Schutzmacht des kommunistischen Kuba. Große Teile der Infrastruktur der Insel, wie etwa die zentrale Autobahn, sind sowjetischen Ursprungs.

Würde Castro die Neueröffnung zulassen, könnte das die Annäherung an die USA stören

Angesichts der Wirtschaftskrise, die Kuba seit dem Wegfall der sowjetischen Alimente durchmacht, ist die Regierung auf jede Hilfe angewiesen. Anfang September meldete das russische Regierungsmedium Russia Today, Kubas Präsident Raúl Castro habe die Russen um Öl gebeten. Putin hat die linksregierten Länder Lateinamerikas jahrelang stark hofiert, doch diese Basis schwindet, seit ein Land nach dem anderen wieder nach rechts rückt. Übrig sind Venezuela und Kuba.

Dass Castro mögliche Öllieferungen mit der Neu-Verpachtung des früheren Militärstützpunktes honorieren würde, ist zwar nicht ausgeschlossen, allerdings auch wenig wahrscheinlich. Denn dies würde die gerade erst begonnene und für Kuba überlebensnotwendige Annäherung an die USA empfindlich stören. Von amerikanischen Touristen und Geschäftsleuten ist allemal mehr Stärkung der darbenden Wirtschaft zu erwarten als von russischem Militär.

Umgekehrt muss auch Russland aufs Geld schauen. Vor allem wirtschaftliche Gründe hatten 2002 zum Abzug beigetragen, da die Basis Moskau jährlich 200 Millionen Dollar kostete. Heute durchlebt Russland eine Wirtschaftskrise, in Syrien will es seinen Stützpunkt dauerhaft ausbauen, auch der Ukraine-Konflikt belastet den Staat. Fraglich, ob es sich Kuba da leisten will. Und Havanna? Die kubanischen Staatsmedien hüllen sich bisher in Schweigen.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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