Kamerun:Lebenslang für Separatisten

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In den Regionen der englischsprachigen Minderheit des afrikanischen Landes wächst die Frustration.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

"Das Urteil wird die Probleme in Kamerun nicht beheben, es wird sie verstärken", sagt Felix Agbor Balla, ein Menschenrechtsanwalt, nach der Gerichtsverhandlung vom Dienstag, bei der ein Militärtribunal zehn Oppositionelle zu lebenslanger Haft verurteilte - wegen Anstiftung zum Terrorismus und zur Sezession. Die Angeklagten sollen außerdem etwa 400 Millionen Euro Strafe zahlen, mitgerechnet ist ein angeblicher Schadenersatz für Sachbeschädigungen, die bei Protesten gegen die Regierung entstanden seien. Menschenrechtsorganisationen kritisierten das Urteil. Julius Sisiku Ayuk Tabe ist der Bekannteste der Verurteilten, er ernannte sich 2017 zum Präsidenten der Republik Ambazonia, einer Abspaltung von zwei anglofonen Regionen im ansonsten mehrheitlich frankofonen Kamerun, die nicht anerkannt wird.

Viele Jahre schon protestiert die englischsprachige Minderheit gegen die Dominanz der Mehrheit, ein Konflikt, bei dem bereits etwa 2000 Menschen ums Leben kamen und eine halbe Million aus ihrer Heimat vertrieben wurde. Der Konflikt ist eine indirekte Folge der deutschen Kolonialzeit, nach dem Ende des ersten Weltkrieges beauftragte der Völkerbund Frankreich und England mit der Verwaltung des ehemals deutschen Gebietes.

Nach einer Volksabstimmung 1961 schloss sich ein Teil der anglofonen Gebiete Nigeria an, der andere dem Rest von Kamerun - aber unter der Bedingung, das britische Erb-, Schul- und Justizsystem fortführen zu dürfen. Am Anfang funktionierte es, das Land gab sich ein föderales System, die Staatseinnahmen wurden einigermaßen gerecht verteilt. Im Jahr 1972 aber wurde die Verfassung geändert, Kamerun wurde zu einem zentralistischen Staat, so wie das Vorbild Frankreich.

Nachdem das Land zum zentralistischen Staat wurde, bluteten die anglofonen Gebiete aus

Englische Bildungsabschlüsse wurden durch französische ersetzt. Über die Jahre bluteten die anglofonen Regionen aus. Entscheidungen werden in Jaunde gefällt, die Einnahmen aus dem Erdöl vor allem an die frankofonen Landesteile verteilt, während andernorts die Infrastruktur zerfällt. Als die Regierung 2016 Lehrer und Gerichtsmitarbeiter in den Westen schickte, die kein Englisch sprachen, intensivierten sich die Proteste.

Ein Teil der anglofonen Opposition will die Abspaltung mit Gewalt erreichen und schreckt auch vor Entführungen nicht zurück. Der große Teil aber demonstriert friedlich, ist zu Verhandlungen mit der Regierung bereit, darunter auch der nun verurteilte Ayuk Tabe. Das Regime von Präsident Paul Biya will aber nicht verhandeln - Ayuk Tabe wurde von Spezialeinheiten in Nigeria festgenommen, zusammen mit fast 50 weiteren Oppositionellen, und nach Kamerun ausgeliefert, was ein nigerianisches Gericht später als rechtswidrig kritisierte. Beobachter rechnen nach dem Urteil mit einem erneuten Aufflammen der Proteste in den anglofonen Regionen. Immer wieder geht die Armee brutal gegen jeden Protest vor. Was international bisher wenig Kritik hervorgerufen hat. Die Bundeswehr unterstützte die Armee von Kamerun bis vor Kurzem noch mit Ausbildungshilfe.

Demnächst steht ein weiteres Urteil an, dem Oppositionellen Maurice Kamto droht die Todesstrafe, ihm wird von einem Militärankläger "Rebellion" vorgeworfen. Kamto hatte mit vielen weiteren die Proteste gegen die mutmaßlich gefälschte Wiederwahl von Präsident Paul Biya organisiert, der das Land seit fast vier Jahrzehnten immer autokratischer regiert.

© SZ vom 22.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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