Justiz:Wenn Verdächtige selbst ermitteln

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Die Staatsanwaltschaft verließ sich auf Angaben von Siemens - und stellte die Recherchen ein.

Von Christoph Giesen, Klaus Ott und Nicolas Richter

Die "Einstellungsverfügung" umfasst vier Blätter, der entscheidende Satz findet sich auf Seite drei. Es gebe keinen hinreichenden Tatverdacht für weitere Ermittlungen, heißt es da. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, Abteilung 5 B für Wirtschaftsstrafsachen, hat im Jahr 2012 ein Verfahren wegen möglicher Schmiergelddelikte bei China-Geschäften von Siemens ziemlich rasch beendet. Zu rasch?

Der frühere Siemens-Beschäftigte Liu Meng-lin, der in China für Recht und Ordnung sorgen sollte, hatte am 6. September 2011 Anzeige wegen Bestechungsverdachts erstattet. Es ging um die China-Geschäfte der in Erlangen bei Nürnberg ansässigen Medizintechniksparte von Siemens, die heute als Siemens Healthineers an der Börse notiert ist. Schon sechs Monate später, am 21. März 2012, schloss die Staatsanwaltschaft die Akte wieder, wobei sich in die Einstellungsverfügung auch noch sachliche Fehler einschlichen. Diesmal also kein großer Fall Siemens, anders als ein paar Jahre vorher bei der Staatsanwaltschaft München I, die ein weltweites System schwarzer Kassen enthüllt hatte.

Dass die Nürnberger Ermittler sich im Gegensatz zu den Münchner Kollegen sehr zurückhielten, hatte mehrere Gründe: Liu, ehedem eine Art Aufpasser für angemessenes Verhalten von Siemens in China, hatte schon vor Jahren den richtigen Riecher gehabt, als er den Verdacht äußerte, Zwischenhändler in China würden dort Krankenhausverantwortliche bestechen, damit die Kliniken Medizintechnikgeräte von Siemens kauften. Inzwischen liegen viele Urteile in China vor, die genau diesen Verdacht bestätigt haben. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth indes fand damals keine Anhaltspunkte dafür.

Vielleicht lag dies daran, dass sich die Ermittler stark auf angebliche Untersuchungsergebnisse einer von Siemens beauftragten Kanzlei aus den USA stützten, statt selbst intensiv nachzuforschen. Die Staatsanwaltschaft beruft sich in ihrer Einstellungsverfügung mehrmals auf die Angaben dieser US-Kanzlei. Haben die Nürnberger Strafverfolger also die Ermittlungshoheit aus der Hand gegeben? Dem sei nicht so gewesen, widerspricht die Staatsanwaltschaft. In diesem Fall habe es keine Hinweise darauf gegeben, dass Siemens irgendwelche Unterlagen zurückgehalten habe. Entschieden habe man dann selbst.

Gleichwohl scheint der Wille zu intensiveren Ermittlungen nicht sehr ausgeprägt gewesen zu sein. Was auch daran gelegen haben könnte, dass deutsche Staatsanwälte bei der Verfolgung von Auslandskorruption einen deutschen Anknüpfungspunkt brauchen. Das hätten zum Beispiel Hinweise sein können, dass Manager aus der Medizintechniksparte von Siemens vorsätzlich Schmiergeldzahlungen von Zwischenhändlern in China in Kauf genommen hätten, um eigene Produkte besser vertreiben zu können. Solange es keine handfesten Indizien dafür gibt und es nur um mutmaßlich rein chinesische Delikte geht, sind deutschen Ermittlern die Hände gebunden.

Dies ändert aber nichts daran, dass die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth sehr auf Angaben von Siemens vertraut hat. Im Einstellungsbescheid steht auch, die "durch Einschaltung der Siemens AG durchgeführten Ermittlungen" hätten keine hinreichenden Anhaltspunkte für Schmiergelddelikte ergeben.

© SZ vom 12.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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