Karlsruhe:Deutschland sucht den neuen Superrichter

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Andreas Voßkuhle (Mitte) wird wohl in zwei Jahren als Präsident des Bundesverfassungsgerichts abgelöst. (Foto: dpa)

Konservativ oder sehr konservativ: Die CDU hat das Vorschlagsrecht für die Nachfolge von Präsident Andreas Voßkuhle am Verfassungsgericht. Einer seiner Kritiker bewirbt sich intensiv um den Topjob.

Von Wolfgang Janisch

Ferdinand Kirchhof hatte damals einen holprigen Start, schuld war die Politik. Im Juli 2005 sollte er ans Bundesverfassungsgericht gewählt werden, doch weil Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) seinen Parteifreund Herbert Landau durchdrückte, musste Kirchhof warten - seine Wahl gelang im zweiten Anlauf gut zwei Jahre später.

Ende Juni wird Kirchhof, Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, 68 Jahre alt. Das ist die Altersgrenze, aber auch der Übergang in den Ruhestand wird sich wohl verzögern - schuld ist wieder die Politik. Denn die Suche nach einem Nachfolger hakt - vor allem deshalb, weil der neue Mann oder die neue Frau aller Voraussicht nach in zwei Jahren auch die Nachfolge des Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle antreten wird. Gut ein halbes Dutzend Namen ist in der Lostrommel, aber vor der Sommerpause wird das eher nicht mehr klappen, vermutet ein Insider.

Nun ist so etwas immer mal wieder vorgekommen. Jürgen Kühling wollte seinerzeit im Mai 1999 aufhören, doch noch lange danach parkte seine Vespa vor dem Gericht, mehr als 20 Monate musste er auf die Pension warten. Dieses Mal dürfte die Hängepartie ihre Ursache im Herzen der CDU haben. Sie hat das Vorschlagsrecht für den Posten, sie sucht also derzeit den Superstar, der im nächsten Jahrzehnt an der Spitze des Gerichts steht. Und wie es aussieht, spiegeln sich die inneren Spannungen der Union auch im Personaltableau für Karlsruhe.

Danach ist der nächste Präsident entweder konservativ oder sehr konservativ - welche Strömung sich durchsetzt, ist vorerst offen. Pikant ist das auch deshalb, weil die CDU jahrelang heftige und anhaltende Kritik am Bundesverfassungsgericht geübt hat - die Stichworte lauten Kopftuch, Wahlrecht, Homosexuelle. Gewiss, Urteilsschelte gab es immer und zu allen Zeiten. Aber in Teilen der CDU schien sich eine tiefe Abneigung gegen die mächtigen Sechzehn vom Karlsruher Schlossplatz breitzumachen. Da ist es fast schon folgerichtig, dass sich dem Vernehmen nach einer der Kritiker besonders intensiv um den Topjob bewirbt - nämlich Günter Krings, derzeit Parlamentarischer Innenstaatssekretär.

Drei-Drei-Eins-Eins-Formel

Und noch eine Karlsruher Personalie ist offen. Michael Eichberger hätte, nach zwölf Jahren als Verfassungsrichter, schon Ende April seine Sachen packen müssen. Über seine vom Bundesrat zu besetzende Stelle war zunächst ein Streit entbrannt, weil die Grünen den Posten beanspruchen - die bunter gewordene Parteienlandschaft sollte sich besser in der Zusammensetzung des Gerichts abbilden. Mit der Eichberger-Stelle wird es zwar wohl nichts, aber man diskutiert nun über eine Drei-Drei-Eins-Eins-Formel: Für die je acht Stellen der beiden Senate sollen künftig Union und SPD jeweils drei, FDP und Grüne je einen Kandidaten vorschlagen dürfen. Womit die Grünen erst 2020 dran wären und die CDU nun doch am Zug wäre. Wie zu hören ist, stehen drei präsentable Kandidaten bereit: der BGH-Strafrichter Henning Radtke, ein scharfsinniger Konservativer, Ulrich Herrmann, Senatsvorsitzender am BGH, und der Bundesverwaltungsrichter Franz Wilhelm Dollinger.

Gewählt werden könnte Anfang Juli - dann könnte immerhin Michael Eichberger in den Ruhestand gehen.

© SZ vom 07.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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