Richter:Die deutsche Justiz braucht keinen neuen Radikalenerlass

Haus eines Reichsbürgers in Georgensgmünd

Der Erfassung/Verfassung zum Trotz: Die Reichsbürger-Szene wird immer größer. Ein Archivbild mit Blick auf ein Haus am 20. Oktober 2016 im bayrischen Georgensgmünd, in dem ein Angehöriger der Bewegung bei einer Razzia vier Polizisten angeschossen hatte.

(Foto: picture alliance / Daniel Karman)

Neonazis und "Reichsbürger" haben auf der Richterbank nichts zu suchen. Doch braune Richter lassen sich ohne Weiteres verhindern, ohne den demokratiegefährdenden Unfug der 70er zu wiederholen.

Kommentar von Heribert Prantl

Man braucht keinen neuen Radikalenerlass, um zu verhindern, dass Neonazis, "Reichsbürger" oder deren Sympathisanten Richter werden. Wenn ein Jurist öffentlich vor der "Herstellung von Mischvölkern" in Europa warnt, wenn er die Aufarbeitung der NS-Zeit als "Schuldkult" diffamiert und für "endgültig beendet" erklärt, wenn er Rechtsextremisten als "aufrechte Patrioten" rühmt - dann kann und darf er auch dann nicht Richter werden, wenn er gute Noten hat.

Jeder Richter hat am Beginn seiner Laufbahn den Eid zu leisten, dass er "das Richteramt getreu dem Grundgesetz" ausüben werde. Eine Justizverwaltung, die einen Neonazi, einen Holocaust-Leugner, einen "Reichsbürger" einstellt - sie würde Beihilfe zum Meineid leisten. Es braucht nur individuelle Aufmerksamkeit, um so etwas zu verhindern. Einen Radikalenerlass braucht es nicht.

Die Radikalenerlasse waren falsch, als es vor Jahrzehnten gegen Linksradikale ging; und sie bleiben falsch, wenn es nun gegen Rechtsradikale gehen soll. Pauschalierte "Grundsätze über die Mitgliedschaft von Beamten in extremen Organisationen" (das war die damalige amtliche Bezeichnung für die Radikalenerlasse) sind keine gute Grundlage für den Umgang mit Berufsanfängern.

Seinerzeit gab es automatische Anfragen der Behörden beim Verfassungsschutz zu jeder Person, die sich für den öffentlichen Dienst bewarb. Der Verfassungsschutz präparierte sich für diese Anfrage mit Tausenden Dossiers, er baute einen gigantischen Apparat auf, überprüfte eineinhalb Millionen Menschen; Tausenden jungen Leuten wurde der Eintritt in den öffentlichen Dienst verwehrt. Postboten, Schullehrer und Löschmeister wurden 15 Jahre lang mit diesen Berufsverboten traktiert.

Das war ein demokratiegefährdender Unfug, der dazu führte, dass eine ganze Generation auf Distanz zum Staat ging.

Solcher Unfug braucht keine Wiederholung. Auch ohne Radikalenerlass ist die Justiz ohne Weiteres in der Lage, ihre Infiltration durch Extremisten zu verhindern. Dazu bedarf es nur der akkuraten Einzelfallprüfung, wie sie bei einer so wichtigen Entscheidung ohnehin geboten ist.

Es gibt kein Grundrecht für Extremisten darauf, die Säulen des Rechtsstaats von innen auszuhöhlen. Wer Volksverhetzung betreibt, wer schweinische Plakate klebt, wer bei einer Pegida-Demo zum Ausländerhass aufstachelt - der muss entlassen oder darf gar nicht eingestellt werden.

Die eingangs genannten Zitate stammen von einem Richter am Landgericht in Dresden, der heute für die AfD im Bundestag sitzt. Dieser Fall des Richters Jens Maier erinnert an den Fall des Mannheimer Richters Rainer Orlet, der 1994 in einer Urteilsbegründung verständnisvolle Worte für einen NPD-Vorsitzenden und Holocaust-Leugner fand. Orlet entging damals der Richteranklage vor dem Bundesverfassungsgericht dadurch, dass er in den Ruhestand floh. Eine Justiz darf nicht erst warten, bis eine Richteranklage notwendig ist. Die Nichteinstellung eines Rechtsaußen-Juristen ist ein Akt der Prävention.

Aus der Mitgliedschaft in der AfD kann nicht per se die Untauglichkeit für ein Richteramt gefolgert werden. Aber es ist ein Faktum, dass die AfD an ihrem rechten Rand rechtsextrem ist; diese Partei ist in jüngerer Zeit brauner geworden - und es ist befremdlich, dass sie nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Der Verfassungsschutz darf Neonazismus nicht als "Fliegenschiss" betrachten.

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