Es war so eine Art Witwenverbrennung damals, im Jahr 2011. Als die deutsche Wehrdienstpflicht abgeschafft wurde, wurde die Zivildienstpflicht, die die Partnerin des Wehrdienstes gewesen war, gleich mitbeerdigt. Das war kein Verbrechen, es war ein Fehler.
Natürlich hingen die beiden Dienste rechtlich aneinander, daher hieß der Zivildienst ja auch "Ersatzdienst": Wer den Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigerte oder aus sonstigen Gründen zur Bundeswehr partout nicht wollte, der machte ersatzweise sozialen Dienst - im Krankenhaus, Jugendzentrum, Altenheim, im Rettungsdienst oder Naturschutz. Die pazifistische und die emanzipatorische Bewegung, die eher linken und liberalen Parteien hatten den Zivildienst durchgesetzt, auch als "Stütze für den Sozialstaat".

Debatte um das soziale Pflichtjahr:Zu teuer, zu schwierig, zu undankbar
Das "soziale Pflichtjahr" soll Wehrdienst und Zivildienst ablösen. Es kursieren viele Vorschläge zur Umsetzung, doch sie scheitern an hohen Hürden: Das Grundgesetz müsste geändert und Kosten gedeckt werden. Und am Ende droht Undank.
Es erstaunt, dass sie ihn 2011 sofort wieder fallen ließen und nicht dafür warben, ihn ins Grundgesetz zu schreiben. Es erstaunt noch mehr, dass die gesellschaftlichen Gruppen, die einst für den Zivildienst gekämpft und für den Ausdruck gesellschaftlichen Fortschritts gehalten haben, ihn heute, da er von der CDU/CSU ins Gespräch gebracht wird, für suspekt erklären - und das Werben dafür den Konservativen überlassen.
Es sei "menschenrechtswidrig", so kann man bei den Kritikern eines sozialen Pflichtjahres lesen, junge Menschen zwischen Schul- und Berufsausbildung zu einem sozialen Dienst zu verpflichten. Das ist grotesk: Es soll menschenrechtswidrig sein, sich fürsorglich um Menschen zu kümmern? Gar von Freiheitsentziehung reden Kritiker. Dann ist die Schule auch Freiheitsentziehung. Man könnte das soziale Jahr als "Europäisches soziales Jahr" in die schulische und berufliche Ausbildung integrieren. Es kann der Berufsorientierung dienen und dem Absprung von zu Hause. Ein soziales Pflichtjahr hilft womöglich auch, Fähigkeiten an sich zu entdecken, die in der Schule nicht wertgeschätzt wurden. Es baut, wenn es gut geht, Vorurteile ab gegenüber den Verlierern der Gesellschaft; es kann Motivation sein für politisches Engagement.
Man kann es auch als Voraus-Einlage für die eigene spätere Pflegebedürftigkeit betrachten. Es gibt jedenfalls viel mehr Vorteile als Nachteile. Es ist ein Beitrag zu persönlicher und politischer Resilienz. Die Argumente, die auf "Vergeudung von Lebenszeit" hinauslaufen - man kennt sie: Das ökonomistische Gerede hat dazu geführt, dass Schulzeit verkürzt und Studium verschult wurde. Das soziale Jahr ist die Gegenbewegung.
Man mag es aufgedrängte Bereicherung nennen; es ist trotzdem eine
Viele von denen, die seinerzeit den Zivildienst widerwillig angetreten haben, sagen heute, es sei "die beeindruckendste Zeit" in ihrem Leben gewesen. Man mag das aufgedrängte Bereicherung nennen, aber es ist trotzdem eine. Die Wohlfahrtsverbände winden sich: Die Freiwilligkeit sei einer Verpflichtung stets vorzuziehen, heißt es. Mag sein; der logistische Aufwand, den Wohlfahrtsverbände für Freiwillige einsetzen müssen, ist nicht hoch, schon deswegen nicht, weil es nicht so viele gibt. Verpflichtete Jugendliche schaden mehr, als sie nützen, heißt es auch gelegentlich. Das ist eine beleidigende Unterstellung, weil sie den jungen Leuten Herz und guten Willen abspricht. Zum guten Willen der Politik gehört es, die Jungen nicht als billiges Personalreservoir zu betrachten - sondern ihnen reiche Lebenserfahrung zu ermöglichen.