Joachim Gauck und Angela Merkel:Verhältnis mit Knacks

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Zumindest bei der Nationalhymne steht Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel der Sinn nach Gleichklang, hier bei einer Gedenkfeier. (Foto: Odd Andersen/dpa)

Joachim Gauck und Angela Merkel mochten sich einst - als sie noch nicht im Amt waren. Der Konflikt um die Olympia-Absage des Bundespräsidenten ist vorläufiger Höhepunkt der unglücklichen Verbindung. Dabei wären die beiden zu einigem fähig.

Von Stefan Braun, Berlin

Das Schlimmste immerhin ist Angela Merkel und Joachim Gauck erspart geblieben. Das Schlimmste wäre es gewesen, wenn die SPD den Mitgliederentscheid abgelehnt hätte - und danach alle Fragen neu bedacht hätten werden müssen. Dann wäre dem Bundespräsidenten die schwierige Aufgabe zugefallen, in einer politisch wie verfassungsrechtlich offenen Lage den richtigen Weg zu einer Regierung zu finden. Man braucht nicht viel Phantasie, um zu ahnen: Das hätte auch mit der Kanzlerin erhebliche Probleme bringen können.

So aber ist alles anders. Die SPD hat Ja gerufen, und Merkel kann zum dritten Mal zur Kanzlerin gewählt werden. Das wird am Dienstagvormittag zu einer Begegnung Gaucks mit Merkel führen. Kaum ist sie gewählt, wird sie ins Schloss Bellevue fahren und vom Staatsoberhaupt ihre Ernennungsurkunde erhalten. Das könnte ein schöner Moment sein zwischen den beiden. Beide stammen aus dem Osten, für beide ist das Thema Freiheit ein ganz besonderes. Und beide mochten sich. Jedenfalls mochten sie sich, solange sie noch nicht im Amt waren.

Spätestens mit Gaucks Kandidatur zum Bundespräsidenten, beim ersten Mal und noch mehr beim zweiten, hat dieses Verhältnis einen Knacks bekommen. Beim ersten Mal, weil Merkel damals auch über Gauck nachdachte, aber sich am Ende weder für ihn noch für Ursula von der Leyen, sondern für Christian Wulff entschied. Das war keiner tollen Phantasie, keiner großen Idee, sondern vor allem dem Merkel'schen Machtkalkül in den eigenen Reihen geschuldet. Gauck wurde trotzdem Kandidat, aufgestellt von den Sozialdemokraten. Und als Wulff in der Bundesversammlung zwei Mal durchfiel, wurde er für Merkel vom netten und klugen Gesprächspartner zum Irgendwie-dann-doch-Gegenspieler. Dass Wulff im dritten Wahlgang durchkam, konnte daran nichts mehr ändern.

Von Franz Josef Strauß stammt das Bonmot, dass eine Jacke, die man am Anfang falsch zuknöpft, nie wirklich passen wird. Für Merkels Verhältnis zu Gauck lässt sich das seit dieser Zeit auch sagen. Zum ersten Mal deutlich wurde dies, als Wulff zurücktreten musste und sich in Merkel fast alles gegen Gauck sträubte. Während die allermeisten im politischen Berlin sehr schnell ahnten, dass an dem Bürgerrechtler diesmal wohl kein Weg vorbeiführen würde, versuchte die Kanzlerin, ihn mit mehreren anderen Kandidaten noch zu verhindern. Ergebnis: Die FDP sah ihre Chance und unterstützte Gauck, was fast zum Bruch der Koalition geführt hätte. Gauck konnte dafür nichts. Aber es schmerzte.

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So gesehen ist der Konflikt um Gaucks Olympia-Absage nur der vorläufige Höhepunkt in einer im wahrsten Wortsinne unglückseligen Verbindung. Erstaunen kann nur, wie deutlich das Kanzleramt inzwischen signalisiert, von Gaucks Entscheidung nichts gewusst zu haben - und es aus dem Präsidialamt heißt, diese Darstellung entspreche nicht der Wahrheit. Am Montag immerhin gab es leise Hinweise auf den Versuch, die Sache nicht weiter eskalieren zu lassen. So wurde angedeutet, die "Leitungsebene" in Merkels Regierungszentrale sei nicht informiert gewesen. So etwas nennt man Friedensangebote.

Dass es mit Merkel und Gauck auch anders gehen könnte, zeigte der Bundespräsident im vergangenen September. Damals reiste er nach Paris und Oradour-sur-Glane, um an ein Massaker der Nazis, aber auch an die heutige Nähe zu Frankreich zu erinnern. Er tat das so wärmend und herzlich, dass er in einer schwierigen Phase der Euro-Rettungspolitik und einem dadurch ziemlich schwierigen deutsch-französischen Verhältnis sehr ausgleichend wirkte. Merkels klare Position und Gaucks atmosphärische Fähigkeiten - hier zeigte sich, was da möglich wäre.

© SZ vom 17.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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