Jemen:Land des Misstrauens

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Was der blutige Dauer-Krieg in Saudi-Arabiens Nachbarland mit dem deutschen Exportstopp zu tun hat - und was als Gegenleistung für eine Aufhebung des Ausfuhrverbots von den Diplomaten ausgelotet wird.

Von Paul-Anton Krüger

Die Waffenexporte nach Saudi-Arabien hatte die Bundesregierung im vergangenen Herbst wegen der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi gestoppt. Ob der Bann gegen Riad nun wieder aufgehoben wird, will sie aber anhand der Entwicklung im Jemen-Krieg entscheiden, wie Außenminister Heiko Maas (SPD) angekündigt hat. Khashoggi werde durch das Embargo auch nicht wieder lebendig, heißt es in Berlin. In der Jemen-Frage aber könnten die Saudis sich bewegen. Man will also den Lieferstopp oder viel mehr dessen mögliche Aufhebung nutzen, um Riad Zugeständnisse abzuringen.

Dabei geht es um die Umsetzung einer Vereinbarung, welche die Kriegsparteien bereits im Dezember unter Vermittlung des UN-Sondergesandten Martin Griffiths in Rimbo bei Stockholm erzielt hatten. In Jemen stehen sich die international anerkannte Regierung von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi und aufständische Huthi gegenüber, deren Milizen die Hauptstadt Sanaa und die Bevölkerungszentren im Norden des Landes kontrollieren. Der Präsident wird von einer Militärkoalition unter Führung Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate unterstützt, den Rebellen hilft Iran. Beide Parteien hatten sich bei den ersten Friedensgesprächen seit 2016 auf eine Waffenruhe für die lange hart umkämpfte Hafenstadt Hodeidah am Roten Meer geeinigt. Darauf sollte eine Demilitarisierung der Stadt und des Hafens folgen und ein Rückzug aus zwei weiteren Häfen.

Vereinbart wurde zudem ein Austausch von Gefangenen, von dem bis zu 16 500 Menschen profitieren sollten, Schritte in Richtung einer Waffenruhe in Taizz, der drittgrößten Stadt des Landes, und vertrauensbildende Maßnahmen, so die Öffnung des Flughafens von Sanaa für Inlandsflüge. Umgesetzt ist davon so gut wie nichts, die beiden Seiten werfen sich gegenseitig Hunderte Verstöße vor.

Griffiths hat die vergangenen Wochen mit Shuttle-Diplomatie zwischen Sanaa und Riad verbracht, um die Vereinbarung von Stockholm zu retten. Sie gilt europäischen Diplomaten als letzte Option, um auf eine landesweite Waffenruhe hinzuwirken und die katastrophale Versorgungslage zu verbessern. Inzwischen sind mehr als 24 der 29 Millionen Jemeniten auf Hilfslieferungen angewiesen und 9,6 Millionen Menschen von einer akuten Hungersnot bedroht - mehr als je zuvor.

Die Vereinbarung war politisch zwar weitreichender, als westliche Diplomaten vor den Gesprächen erhofft hatten, aber die Schritte zu ihrer Umsetzung waren eben nur grob umrissen. Nun gibt es detailliertere Pläne, die zu einem Rückzug der Truppen aus Hodeidah führen sollen, überwacht von einer kleinen UN-Beobachtermission. Die Emirate seien einverstanden, sagen europäische Diplomaten, unterlaufen hätten die Vereinbarung vor allem die Huthis. Sie hätten Loyalisten neue Uniformen verpasst und diese zu neutralem Sicherheitspersonal umdeklariert, das nach der Vereinbarung künftig den Hafen kontrollieren soll. Ambivalent sei die Position Saudi-Arabiens. Den Gefangenenaustausch blockiere dagegen die Koalition. Insgesamt ist es bisher nicht gelungen, das tiefe Misstrauen auf beiden Seiten zu reduzieren.

Nun haben die Huthis eingewilligt, aus dem kleineren Hafen von Salif und dem Ölterminal Ras Issa abzuziehen. Hält die Waffenruhe dort, sollen Schritte zur Demilitarisierung Hodeidahs folgen. Dafür müssten sich auch von der Koalition unterstützte Milizen zurückziehen. Über den Hafen kommt der Großteil der Hilfslieferungen und der kommerziellen Lebensmittel-Importe ins Land, von denen Jemen abhängig ist. Für die Huthis sind Abgaben, die sie in Hodeidah erheben, eine wichtige Einnahmequelle. Die Koalition wirft zudem Iran vor, Waffen für die Huthis durch den Hafen zu schmuggeln. Die Koalition hatte versucht, ihn mit Hilfe jemenitischer Milizen einzunehmen und die Huthis so in die Kapitulation zu treiben. Die UN und Hilfsorganisationen warnen jedoch, dass Jemen in eine Hungersnot mit Tausenden Toten binnen weniger Wochen stürzt, würde der Hafen durch Kämpfe blockiert oder zerstört.

© SZ vom 09.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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