Jazz:Ein Sound geht um die Welt

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Kommerzielle Globalisierung eines Musikstils: Für den berühmten Jazz-Club "Blue Note" wird New York zu klein. Bald gibt es Ableger in Peking und auf Hawaii.

Von Martin Zips

Mit Jazz kannte sich Danny Bensusan gar nicht aus, als er 1981 in New York den "Blue Note Jazz Club" eröffnete. Jazz interessierte den Discobetreiber allein aus unternehmerischer Sicht. Die Saturday-Night-Fever-Zeit war irgendwie vorbei, Bensusan musste sich also was Neues einfallen lassen, um Publikum anzulocken. Viele wunderten sich, dass ihm da ausgerechnet der Jazz in den Sinn kam. Aus heutiger Sicht aber war es die richtige Idee. Jetzt betreibt Bensusans Sohn Steven als Präsident der Blue Note Entertainment Group gleich zehn solcher Läden - von Italien bis Japan. Und schon bald kommen vier weitere in China und auf Hawaii dazu - eine Marke expandiert.

Anfang der Achtzigerjahre begann Bensusan Senior, 1949 in Jaffa geboren, sein Projekt mit den Blue Notes, wie man die charakteristischen Jazz-Töne nennt. Die noch existierenden New Yorker Clubs galten selbst Freunden der Musik als zu versifft, zu verraucht, zu gestrig. Künstler und Publikum zog es eher in die großen Konzerthallen. Danny Bensusan stellte sich gegen den Trend, entstaubte einen Saal in Greenwich Village, verteilte 240 Sitzmöbel und ein paar Bistrotische rund um eine kleine Bühne. Nach ersten Anlaufschwierigkeiten hatte er Erfolg mit seinem Konzept aus Thema und Improvisation, aus musikalischer Magie und gehobener Gastronomie. Künstler wie Oscar Peterson, Lionel Hampton, Sarah Vaughan, Dizzie Gillespie und Charles Lloyd schätzten die intime Atmosphäre. Das "Blue Note" (mit dem Plattenlabel Blue Note Records hat es nichts zu tun) wurde weltberühmt. Bensusan gelang es, Stars wie Ray Charles jährlich gleich eine Woche für täglich zwei Shows zu verpflichten. Und sogar im Publikum trifft man immer wieder auf alte Bekannte. Zum Beispiel Sting, der zum "La belle dame sans regrets"-Duett jüngst von Chris Botti auf die Bühne gebeten wurde. Lässt sich so ein familiärer Ort, man nennt derlei heute ja "Flagshipstore", wirklich "franchisen"?

Offenbar. Bereits 1988 eröffnete Bensusan seinen ersten Club-Klon in Tokio, weitere folgten in Osaka, Nagoya und Mailand. Derzeit wird gleich neben dem Tiananmen-Platz in Peking das 112 Jahre alte Gebäude der ersten amerikanischen Botschaft aufgemöbelt. Kein schlechter Ort für den ersten Blue Note Club der Volksrepublik, der hier im März 2016 eröffnen soll. Es folgen zwei weitere Spielstätten in Shanghai und Taipeh - sowie am Waikiki Beach von Hawaii. Im Pazifischen Raum, erklärte Bensusan Jr., gewinne Jazz gerade wieder stark an Bedeutung. Da müsse er nun eigentlich nur den Flugplan der unzähligen jungen begabten Musiker von New York aus koordinieren - schon rechne sich die Sache. "Und ein Live-Erlebnis lässt sich auch nicht am PC kopieren."

Tatsächlich bleibt Jazz ein wohltuendes Gegenprogramm zum von PR-Strategen designten Massensound. Dave Brubeck nannte die Musik die "wahrscheinlich einzige Kunstform, in der es die Freiheit des Individuums ohne den Verlust des Zusammengehörigkeitsgefühls gibt". Die Rolle des Jazz für den demokratischen Aufbruch in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg ist nicht zu unterschätzen. Schön, dass er jetzt auch immer mehr Chinesen Spaß macht.

© SZ vom 27.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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