Japan:Mehr Militäreinsätze erlaubt

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Die Abe-Koalition verabschiedet neue Sicherheitsgesetze.

Von Stefan Kornelius, München

Unter heftigem Protest von Opposition und Öffentlichkeit hat die Regierungsmehrheit in Japan neue Sicherheitsgesetze beschlossen, die mit der traditionell zurückhaltenden Rolle des Landes bei Militäreinsätzen brechen. Die Gesetze dienen der Neuinterpretation der Verfassung und erlauben auch den Kampfeinsatz japanischer Soldaten im Ausland, allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Das Unterhaus stimmte am Donnerstag den Gesetzen mit Mehrheit zu. Das Oberhaus hat nun 60 Tage Zeit zur Debatte. Sollten sie dort abgelehnt werden, kann das Unterhaus die Regeln dennoch in Kraft setzen. Außerdem wird mit Verfassungsklagen gegen die Gesetzgebung gerechnet.

Die elf neuen Sicherheitsgesetze erlauben, dass die japanischen Streitkräfte gemeinsam mit anderen Staaten, also etwa im Bündnis mit den USA, eingesetzt werden können - allerdings nur wenn vitale japanische Interessen oder das Leben von Japanern bedroht sind. Zweitens soll sich das Land an friedenserhaltenden UN-Einsätzen beteiligen können. Drittens werden auch militärische Rettungseinsätze für japanische Bürger im Ausland genehmigt. Schließlich sieht eine Klausel vor, dass die bisher schon erlaubte Selbstverteidigung auch bei einem weniger eindeutigen Übergriff zulässig ist. Damit reagiert die japanische Regierung auf sogenannte hybride Konfliktszenarien, die auch in Südostasien immer häufiger befürchtet werden. Bisher musste für den Fall der Selbstverteidigung ein eindeutiger militärischer und aggressiver Akt gegen Japan vorliegen.

Premierminister Shinzo Abe wollte ursprünglich die japanische Verfassung und vor allem den in Artikel 9 ausformulierten Pazifismus ändern, musste sich aber wegen fehlender Mehrheiten im Parlament mit einem Gesetzespaket zufrieden geben, das die Verfassung lediglich in einem neuen Licht erscheinen lässt. Diese Neu-Interpretation war seit Monaten Gegenstand heftiger innenpolitischer Auseinandersetzungen. Nach jüngsten Umfragen lehnen etwa 60 Prozent der Bürger die Sicherheitsgesetze ab. Die Opposition verließ aus Protest das Parlament und nahm an der Abstimmung nicht teil.

Abe schließt mit den Gesetzen eine umfassende Reform der japanischen Sicherheitspolitik ab. So wurden seit 2013 der Verteidigungshaushalt, aber auch das Entwicklungshilfebudget gezielt erhöht. Anschließend verabschiedete die Regierung eine neue Sicherheitsdoktrin und etablierte einen nationalen Sicherheitsrat, der die traditionell wenig kooperierenden Fachministerien miteinander verknüpfen soll. In diesem Frühjahr änderte Ministerpräsident Abe außerdem die Rüstungsexport-Richtlinien und unterschrieb ein neues sicherheitspolitisches Kooperationsabkommen mit den USA, das als eine Art Ausführungsbestimmung die neuen Gesetze vorweg nimmt.

Kritiker werfen Abe vor allem vor, er breche mit der pazifistischen Tradition der japanischen Nachkriegspolitik und verstoße gegen das Friedensgebot der Verfassung. Eine Sprecherin des chinesischen Außenministerium ließ Tokio in harschen Worten wissen, dass Japan die Sicherheitsbedürfnisse seiner Nachbarn respektieren und Chinas Souveränität beachten müsse. "Wir mahnen die japanische Seite ernsthaft, die harten Lehren der Geschichte ernst zu nehmen", so die Sprecherin.

Die japanische Regierung versucht seit Monaten die Befürchtungen der Gegner zu zerstreuen. So verweist sie darauf, dass die 1946 in Artikel 9 der Verfassung festgelegte Pflicht zum Pazifismus und zur Abkehr vom Militärischen längst neuen Interpretationen gewichen ist. So wurden nach dem Koreakrieg 1954 die Selbstverteidigungskräfte eingeführt, Japans Armee, allerdings verbunden mit der "Yoshida-Doktrin", wonach sich Japan aus internationalen Konflikten heraushalten würde. Auch diese Festlegung wurde von Beginn der 1980er-Jahre an aufgeweicht, als sich Japan unter anderem an internationalen Missionen wie dem Anti-Terror-Kampf beteiligte - wenn auch lediglich mit logistischer Hilfe, etwa im indischen Ozean.

Regierungschef Abe machte in der Parlamentsberatung deutlich, dass die Gesetze als Reaktion auf die Spannungen in der japanischen Nachbarschaft verstanden werden müssen. "Die Sicherheitslage um Japan herum ist zunehmend ernst", so Abe. Die neuen Gesetze seien "notwendig, um das Leben der Japaner zu schützen und einen Krieg zu verhindern, bevor er ausbricht."

© SZ vom 17.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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