Japan:Ex-Premier Nakasone tot

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Er wollte eine „Generalabrechnung von Japans Nachkriegspolitik“. Sein Land sollte eigene Interessen auch mit militärischen Mitteln wahren können, fand Yasuhiro Nakasone. Das Bild zeigt ihn 1986 als Regierungschef. (Foto: kyodo/dpa)

Er galt als konservativer Tabubrecher. Jetzt ist der frühere Regierungschef im Alter von 101 Jahren gestorben.

Von Thomas Hahn, Tokio

Japans früherer Premier Yasuhiro Nakasone war schon 85, als er sich 2003 aus der Politik zurückzog. Er tat das nicht freiwillig. Auch nicht weil ihn jemand mit feiner Überredungskunst zu der Meinung geleitet hatte, dass es Zeit sei, seine Partei, die konservative LDP, zu verjüngen. Sondern er folgte dem Umstand, dass LDP-Chef und Premierminister Junichiro Koizumi ein Höchstalter eingeführt und damit das Versprechen der Partei gebrochen hatte, ihn als Nummer-eins-Parlamentskandidaten auf Lebenszeit zu behandeln.

Es endete damit die Karriere eines Machtpolitikers, der Japan Fortschritt und Rückschritt zugleich gebracht hat. In seiner Autobiografie von 2004 schrieb Nakasone: "Ich würde sagen, ich habe versucht, die Probleme der Nachkriegszeit in der Politik beizulegen und dabei die guten Dinge wiederzubeleben, die nach der Kapitulation verloren gegangen sind, um für Japan die Tür in die Zukunft zu öffnen." Das ist sicher keine schlechte Beschreibung seiner Bemühungen. Allerdings dürften neutrale Historiker bestreiten, dass es "gute Dinge" waren, die er aus der Zeit des Kaiserreichs in die Zukunft retten wollte. Nakasone, Premierminister von 1982 bis 1987, war ein rechtskonservativer Tabubrecher. Man kann sagen: ein Populist.

Nationalistische Denkmuster leiteten ihn, in denen etwa Fragen nach den dunklen Punkten der japanischen Geschichte versackten. Er selbst war während des Zweiten Weltkriegs Marine-Offizier gewesen. Dass Japan von 1910 bis 1945 Korea besetzt hatte und im Zweiten Weltkrieg an der Seite von Nazi-Deutschland gekämpft hatte, hinderte ihn nicht daran, 1985 als erster japanischer Nachkriegspremier den Yasukuni-Schrein in Tokio zu besuchen, auf dem auch ausgewiesene japanische Kriegsverbrecher verehrt werden. Artikel neun der Verfassung, der Japan nur ein Recht auf Selbstverteidigung lässt, wollte er immer ändern. Später bezeichnete er den Friedensartikel als "irrational".

Selbst seine vielbeschriebene Freundschaft mit US-Präsident Ronald Reagan, die er unter dem Kürzel "Ron-Yasu" als Symbol für den wachsenden internationalen Stellenwert Japans vermarktete, konnte er nicht freihalten von seiner anfechtbaren Rhetorik. Bei einem Besuch in den USA beschrieb er Japan als "unsinkbaren Flugzeugträger". Es gab noch schlimmere Zitate und immer wieder Kritik. Moralisch brachte Nakasone Japan nicht weiter.

Er gehörte zu den Politikern, die die Kernkraft nach Japan brachten. Aber er stärkte die Bande mit den USA. Und die japanische Bahn hat er privatisiert, davon profitiert das Land bis heute. Am Freitag ist Yasuhiro Nakasone im Alter von 101 Jahren gestorben.

© SZ vom 30.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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