Japan:Erschöpftes Land

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Das Virus will nicht weichen, trotz der Wochen der Einschränkungen. Was also passiert mit den Olympischen Spielen, die die Wirtschaft so dringend braucht?

Von Thomas Hahn

Am Freitag hat Japans Premierminister Shinzo Abe sein neues Coronavirus-Notstandsgesetz durch das Unterhaus gebracht. Die beiden größten Oppositionsparteien halfen mit. Wenn die Lage um den Covid-19-Erreger bedrohlich wird, kann man dem Inselstaat jetzt einen weitestgehenden Stillstand verordnen. Sei vorerst nicht geplant, hieß es. Kann aber kommen, wenn der rechtskonservative Abe das für richtig hält. Vor drei Wochen hat er die Nation überrascht, als er empfahl, alle Schulen zu schließen. Führungsschwäche hatte man ihm davor in der Viruskrise vorgeworfen, seine Umfragewerte purzelten. Unerhört. Jetzt führt Abe so, dass es keiner übersieht.

Ist das gut? Ist das schlecht? Das wird man abschließend erst sagen können, wenn eines fernen Tages wieder so etwas wie Normalität herrscht. Trotzdem ist die Frage spannend, denn es ruhen Hoffnungen auf Japan: Gutes Gesundheitssystem. Findige Mediziner. Hier leben die Menschen am längsten. Kommt aus dem Inselstaat die zündende Idee gegen die Pandemie? Außerdem ist Tokio als Ort der Olympischen und Paralympischen Spiele vorgemerkt. Japan soll das Fest liefern, das die Welt das Viruselend vergessen lässt.

Bisher allerdings gibt es keine Erfolgsmeldungen, im Gegenteil. Ende Januar notierten die Behörden den ersten infizierten Japaner, der vorher nicht in Wuhan gewesen war, dem Epizentrum des Coronavirus-Ausbruchs. Da schwante es Experten schon, dass der richtige Zeitpunkt verpasst war, den regen Touristen- und sonstigen Austausch mit China zu unterbrechen. Zwischen dem 5. und dem 19. Februar lag dann das Kreuzfahrtschiff Diamond Princess mit anfangs 3700 Menschen aus 50 Ländern unter Quarantäne in Yokohama. Japans Gesundheitsministerium kassierte harsche Kritik für seine laxes Lage-Management. 711 Infizierte, sieben Tote. Als die Quarantäne nach 14 Tagen zu Ende war, wurden einzelne Passagiere entlassen, die später positiv getestet wurden.

Die Zahl der Infizierten im Land stieg. Absagen folgten, Schließungen. Als Ende Februar die Nordinsel Hokkaido einen markanten Anstieg der Covid-19-Fälle verzeichnete, rief die Regionalpolitik zum Zuhausebleiben auf. Abe legte nach mit dramatischen Ansagen, die viele Mediziner als Dienst am eigenen Ego deuteten.

Und jetzt? Nach Wochen des eingeschränkten öffentlichen Lebens? Der Tourismus ist eingebrochen. Unternehmer fürchten um ihre Existenz. Die Leute sind erschöpft von den Einschränkungen. Und das Virus geht nicht weg. Am Freitagabend waren es wieder 24 Infizierte mehr als am Vortag, insgesamt sind es 701. Wie viele es wirklich sind, weiß keiner, weil das Gesundheitsministerium bisher nur 11 231 Tests für schwerere Fälle zugelassen hat; in Südkorea gab es 248 647 Tests.

Hoffnung? Durchaus. Die Zahl der Todesfälle ist relativ niedrig: 19. Ausgerechnet in der Präfektur Shimane, in der nicht alle Schulen geschlossen sind, gibt es keine Meldung von einem Covid-19-Infizierten. Vielleicht stellt Japan bald fest, dass es das Virus auch mit normalem Leben im Land bändigen kann. Im Grunde muss es so kommen. Die Lage jetzt ist ungesund.

Und Olympia? Japans taumelnde Wirtschaft braucht die Spiele. Aber keiner kann garantieren, dass sie stattfinden. Denn der Kampf gegen das Coronavirus, der in Japan bald enden muss, hat anderswo noch gar nicht richtig angefangen.

© SZ vom 14.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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