Japan:Die Rache der Wähler

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Zeitenwende in Japan: Nach mehr als fünf Jahrzehnten verliert die LDP die Macht - weil ihre Politiker arrogant und selbstherrlich agieren.

Christoph Neidhart

Die Kommunistische Partei Chinas hat einst jene Staaten studieren lassen, in denen sich ein und dieselbe Partei über Jahrzehnte an der Macht zu halten vermochte. Die Pekinger Kommunisten wollten herausfinden, ob sie sich ihr Monopol auch in Wahlen bestätigen lassen könnten. Ein Land, das sie sich dabei genau angeschaut haben, war Japan, das seit 1955 von der liberaldemokratischen Partei LDP regiert worden ist.

Abgewählt: Premierminister Taro Aso. (Foto: Foto: Reuters)

Spätestens seit dem Absturz der LDP bei den Parlamentswahlen dürfte das Interesse der chinesischen KP an ihr erloschen sein. Japans Wähler haben die Monopolpartei mit Wucht aus der Regierung geworfen. Und wenn die demokratische Partei DPJ, die die Wahlen souverän gewann, nicht binnen weniger Monate über eigene Fehler stolpert, ist dies das Ende der bisherigen LDP. Sie wird in Gruppen zerfallen.

Die LDP hat Japan aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs an die zweite Stelle der Weltwirtschaft geführt. Sie hat alle Politik dem Wirtschaftswachstum untergeordnet. Das Industrie- und Handelsministerium Miti funktionierte als zentrale Behörde, den Planungsbehörden im Sozialismus durchaus ähnlich. Das Miti setzte seinen Plan mit Zuckerbrot durch, nicht mit der Peitsche, und investierte etwa sehr viel Geld in Bauprojekte in der Provinz. Mit dieser Förderpolitik hat die LDP die Wahlen immer wieder gewonnen und sich selbst in den vergangenen zwei Jahrzehnten an der Macht gehalten, als die Wirtschaft stagnierte und Japan eine Krise durchlitt.

Die LDP, die einst mit Unterstützung des amerikanischen Geheimdienstes CIA geschaffen wurde, war weder liberal noch besonders demokratisch. Ihr gehörten neoliberale, rechtsnationale und sozialdemokratische Politiker an. Sie alle sind in der LDP geblieben, weil sie die Partei der Macht war - und die Partei mit dem Schlüssel zur Staatskasse. Zudem musste in der LDP sein, wer eine Chance haben wollte, je Minister zu werden.

Monopolparteien legen vor allem Wert auf Loyalität. Fehlt den Parteiführern dagegen die Kompetenz und leidet das Land unter ihrer Misswirtschaft, bedroht dies die Macht weniger: Es gibt ja keine Konkurrenz. Die LDP-Kader sind über Generationen loyaler geworden, aber sicher nicht fähiger. Im Gegenteil: 2005 rekrutierte der damalige Premier Junichiro Koizumi prominente Sportler und TV-Stars als Abgeordnete. Sie sollten keine Meinung haben, sondern ihm zu Stimmen verhelfen.

Der nun abgewählte Premierminister Taro Aso dürfte als das letzte Gesicht der LDP in die Geschichte eingehen. Er hatte in elf Monaten im Amt kaum eine Chance, das Steuer herumzureißen. Andererseits hat die Partei mit Aso ihr wahres Gesicht gezeigt: arrogant, selbstherrlich, schnoddrig und mit einer tiefsitzenden Verachtung für kleine Leute. Asos abschätzige Sprüche über Rentner, Frauen, Minderheiten und Schlechtverdiener allein wären eine Rechtfertigung für die schallende Ohrfeige der Wähler.

© SZ vom 31.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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