Italien:Wie Italien sich auf die Ankunft Tausender Flüchtlinge vorbereitet

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SZ-Karte (Foto: SZ-Karte)

Der Weg über den Balkan ist dicht. Zwei der wahrscheinlichsten Alternativrouten führen über Italien. Ist das Land bereit dafür?

Von Oliver Meiler, Rom

Niemand mag alarmiert wirken, auch Italiens Innenminister nicht. Doch der Rhythmus der Krisengipfel hat sich in den vergangenen Tagen stark beschleunigt, und Angelino Alfano war natürlich bei allen dabei: im Quirinalspalast beim Staatspräsidenten, im Palazzo Chigi beim Regierungschef, unten in Apulien mit den Präfekten jener sechs Provinzen am Stiefelabsatz, die wohl bald in den Fokus der europäischen Aufmerksamkeit geraten werden.

Seit auf der Fluchtroute durch den Balkan Grenze um Grenze geschlossen wurde, bis zur totalen Blockade, und die Zustände in den griechischen Auffanglagern sich verschlechtern, wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Flüchtlinge Auswege suchen werden - neue Routen in den Norden. Und eine dieser Routen, vielleicht die plausibelste, ja gewissermaßen die logischste, führt über Albanien und die Adria nach Apulien. Der Kanal von Otranto, diese Meerenge zwischen den albanischen und apulischen Küsten, ist an der schmalsten Stelle nur etwa 70 Kilometer breit.

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"Wir sind es gewohnt, Prognosen zu stellen," sagt Alfano, "und die Logik suggeriert, dass nun viele Migranten über die Adria kommen werden." Aber das sei nun mal nur Logik. Er schaue sich lieber die Realität an, und bislang habe er noch keine konkreten Anzeichen dafür ausmachen können, dass sich ein "enormer Migrationsfluss" in Richtung Adria in Gang gesetzt habe.

Dennoch geistern Zahlen durch die Medien; es sind Schätzungen ohne Fundament. Allein in den nächsten Tagen, konnte man schon lesen, würden "10 000" Flüchtlinge übersetzen und die Aufnahmekapazität in Apulien überfordern. In Bari, Brindisi, Lecce und Taranto, den größten Städten der Region, gibt es im Moment nur 5000 Plätze für Neuankömmlinge.

Es bräuchte also dringend mehr davon, um allen Eventualitäten vorzubeugen. Und es bräuchte einen Plan, wie und wohin all jene verteilt würden, die in Apuliens Zentren keinen Platz fänden. Der Präsident der Region, der linke Politiker Michele Emiliano, sagte dieser Tage im Fernsehen: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass Apulien eine Großankunft von Flüchtlingen erleben wird, 150 000 allein in diesem Sommer - wir warten auf Anweisungen aus Rom, von der Regierung." Im Beisatz schwang ein polemischer Unterton mit.

Ist Italien bereit, wenn sich das logische Planspiel als Tatsache erweisen sollte und sich die See in den schöneren, wärmeren Monaten beruhigt? Unlängst forderte die Regierung die Regionen auf, bis Ende des Jahres 2016 Unterkünfte für 50 000 zusätzliche Flüchtlinge bereitzustellen. Die landesweite Gesamtkapazität läge dann bei etwa 160 000. Ist das genug?

Die Italiener fordern nun, dass nicht nur sie mit Albanien verhandelten und zusammen mit den Albanern gegen die Schlepperbanden in der Gegend vorgingen, sondern die Europäische Union als Ganzes, wie diese das auch mit der Türkei tue. "Albanien", sagt Alfano, "ist nicht nur unsere Angelegenheit."

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Die Sorge, mit Albanien alleingelassen zu werden, ist umso größer, als Italien doppelt exponiert ist. Noch immer ist die Route durch das zentrale Mittelmeer, jene über die Straße von Sizilien von Libyen nach Lampedusa und Sizilien, die weitaus wichtigste: "Fast alle Migranten, die in Italien ankommen", sagt Alfano, "nämlich mehr als 90 Prozent, legen in Libyen ab." Auch darum sei es so zentral, dass die internationale Gemeinschaft endlich Wege finde, um Libyen politisch bald zu stabilisieren.

Neuerdings erreichen auch vermehrt Migranten auf dem Landweg Italien, vor allem Menschen aus Afghanistan und Pakistan: Die meisten sind auf dem Rückweg aus Österreich. Von den insgesamt 9300 Einwanderern, die das italienische Innenministerium in den ersten zweieinhalb Monaten dieses Jahres überall im Land registriert hat, gehören fast 1700 zu diesen Rückkehrern, die es schon einmal in den Norden geschafft hatten. Ob ihre Chancen auf Asyl in Italien größer sind, ist jedoch höchst ungewiss.

© SZ vom 12.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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