Italien:Berlusconi - nur noch peinlich

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Italiens Premier Silvio Berlusconi versucht, von der Sexaffäre abzulenken. Die Flüchtlinge aus Tunesien kommen da gerade recht.

Andrea Bachstein, Rom

Die Frage, was es eigentlich noch braucht, damit Silvio Berlusconi zurücktritt, mag man fast gar nicht mehr stellen. In wenigen Wochen soll nun der Prozess gegen Italiens Ministerpräsidenten beginnen wegen so unappetitlicher Delikte wie Prostitution Minderjähriger und Amtsmissbrauch. Es nützt nichts zu wiederholen, dass in dieser Lage der Regierungschef jedes westeuropäischen Landes sofort abtreten würde. Jeder andere wäre längst aus dem Amt nach den peinlichen Enthüllungen im zigsten Skandal um Prostituierte und Minderjährige.

Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi muss sich vor Gericht verantworten: Es geht um Amtsmissbrauch und Prostitution Minderjähriger. (Foto: AFP)

"Und was ist mit der Unschuldsvermutung?", sagt der italienische Justizminister auf die Frage, ob nun nicht doch für Berlusconi der Moment gekommen sei. Dem Premier und den Seinen ist der Gedanke völlig fern, ein Politiker müsse zurücktreten, auch wenn er sich unschuldig fühlt, um Schaden von Amt und Land fernzuhalten, wie es der Amtseid verlangt.

Berlusconi klammert sich verbissen an die Macht, die er wegen der Interessenkonflikte seiner Rollen als Großunternehmer und Regierungschef gar nie hätte erlangen dürfen. Das Amt ist seine einzige Hoffnung, irgendwie den jetzt vier gegen ihn anhängigen Prozessen zu entgehen. Ehrenrührig genug sind auch ohne Rubygate die Vorwürfe in den anderen Verfahren: Bestechung, Steuervergehen, illegale Geschäfte. Seine Partei spielt Berlusconis Spiel mit. Italiens Ansehen wird immer schmutziger befleckt, die öffentliche Moral verdampft.

Die Partei des Premiers ist ein Interessenverein derer, die Berlusconi Ämter und Geschäfte zu verdanken haben. Viel zu viele haben zu viel zu verlieren. Berlusconi darf also nicht fallen. Dafür mutet die PDL dem Land alles zu, und ein Großteil der Italiener empfindet das auch als Zumutung.

Der Überdruss vieler Bürger ist seit Wochen mit Händen zu greifen. Viele sagen, sie schämten sich für ihre Regierung und ihr Land. Der Wut über die Entwürdigung Italiens, seiner Politik und Institutionen, haben gerade am Sonntag Hunderttausende bei den Frauendemonstrationen Ausdruck verliehen. Es ist der Zorn über einen alten Mann mit einer vordemokratischen Machtauffassung, der glaubt, er stehe über den Gesetzen und könne sich alles erlauben. Dabei beruft Berlusconi sich unablässig auf den Wahlauftrag und eine Mehrheit der Italiener, die angeblich hinter ihm steht.

Indes: Die Vertrauenswerte für den Premier sinken. Seine "Mehrheit des Volkes" besteht aus 30 Prozent - mehr würden die PDL nicht wählen. Man darf gespannt sein, wie Berlusconi und seine brillanten Anwälte den Prozess vielleicht noch zu verhindern versuchen. Der Immigrantenstrom aus Tunesien kommt ihm wohl gar nicht ungelegen. In Notlagen präsentiert sich Berlusconi meist als unverzichtbarer Macher. Gerne kreiert er ein Thema, das von seinen Skandalen ablenkt. Wegen Lampedusa könnte noch der eine oder andere Termin nötig werden, der es ihm leider unmöglich machen wird, vor Gericht zu erscheinen.

© SZ vom 16.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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