Italien:Juwel im Azur

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Wie die ligurische Insel Gallinara knapp dem Verkauf an einen ukrainischen Magnaten entging.

Von Oliver Meiler

Vor Ligurien liegt eine kleine Insel, die aussieht wie eine Schildkröte mit ausgestrecktem Kopf. Ihren Namen aber hat sie von den wilden Hühnern, von denen sie in der Antike bevölkert wurde: Gallinara. Die alten Römer neigten nun mal dazu, den Inseln Tiernamen zu geben. Capri, die Glamouröse? Kommt vom lateinischen capreae, Ziegen.

Gallinara ist ein Kleinod, ein grüner Punkt im Azur, nur eineinhalb Kilometer von der Küste der Stadt Albenga entfernt, zu der sie gehört. 470 Meter lang, 450 Meter breit, am höchsten Punkt 87 Meter hoch. Im 12. Jahrhundert versteckte sich Papst Alexander III. da, als ihm Friedrich I. "Barbarossa" nachstellte. Später entstand auf Gallinara ein mächtiges Benediktinerkloster. Ein Industrieller aus Genua kaufte die Insel im 20. Jahrhundert, wie das Gesetz es vorsieht: unter strengen Auflagen.

Gallinaras Faszinosum rührt wohl auch daher, dass man sie nur mit Bewilligung betreten darf: Die Insel ist ein Naturreservat. So greifbar nah und doch so verboten, eine süße Versuchung für Liebende auf der Suche nach einem romantischen Ort.

Nun drohte plötzlich eine jähe Entfremdung, und das mitten im Sommer der Pandemie, als von den Stränden Albengas und Alassios so viele Menschen wie nie zu ihr hinüberschauten - mit diesem Verlangen nach einer einsamen, seuchenfreien Insel. Ein vermögender Ukrainer, Olexandr Bohuslajew, 42, Sohn eines Großindustriellen, hat Gallinara im Juli jenen neun ligurischen und piemontesischen Familien abgekauft, denen sie in den vergangenen vierzig Jahren gehört hatte. Für 25 Millionen Euro, der Vertrag war schon unterzeichnet. Im Preis inbegriffen waren auch Villa Diana auf der Anhöhe, ihre Dependancen und das Schwimmbad.

Für den reichen Mann war das eine verlockende Geschichte, seinen Wohnsitz hat er im steuerfreien Monaco, nur eine Autostunde entfernt. Die Besitzer hatten ihre Freude an der Insel ohnehin verloren, es gab oft Scherereien mit der Stadtverwaltung. Dazu horrende Unterhaltskosten. Zuletzt war auch die Stromzufuhr unterbrochen, man müsste mal wieder die verrosteten Kabel am Meeresboden ersetzen. Die Millionen des Ukrainers kamen sehr gelegen.

Doch dann hob sich Protest von Naturschützern und Präventivnostalgikern. Es bestehe die Gefahr, hieß es, dass der neue Besitzer die Insel allein für sich beanspruchen würde und die Italiener sie gar nicht mehr besuchen dürften. Die Empörung schwappte bis nach Rom, ins Kulturministerium, und zu dessen Vorsteher, dem Sozialdemokraten Dario Franceschini. Wollte er den Verkauf noch verhindern, musste er schnell handeln. Der Staat hat bei Gütern von nationalem kulturellen Interesse, wie Gallinara eines ist, ein Vorkaufsrecht, es ist aber an Fristen gebunden.

Franceschini griff ein, gerade noch rechtzeitig. Der Staat hat nun Villa Diana gekauft, das einzige bewohnbare Haus auf der Insel. Und da zum Schutz der reichen Flora und Fauna auf Gallinara nichts Neues gebaut werden darf, verlor das ganze Objekt über Nacht allen Reiz. Der Ukrainer mit seinem vielen Geld zog sich wieder zurück. Die Italiener planen nun ein Museum in der Villa, etwas mit Archäologie, und, wer weiß, vielleicht setzen sie ja wieder Hühner aus.

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