Italien:Angriff vom einstigen Verbündeten

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Italiens Parlamentspräsident Gianfranco Fini attackiert Premier Silvio Berlusconi: Er fordert seinen früheren Weggefährten zum Rücktritt auf und unterstreicht das mit einer konkreten Drohung.

Andrea Bachstein, Rom

Parlamentspräsident Gianfranco Fini hat Italiens Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi aufgefordert, zurückzutreten. Am Sonntag sagte Fini, der Premier solle zum Staatspräsidenten gehen und mitteilen, dass seine Regierung unter den jetzigen Umständen nicht mehr weiterkönne.

Einst Verbündete, jetzt Kontrahenten: Parlamentspräsident Gianfranco Fini (l.) und Italiens Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi (r.). (Foto: AP)

Bei der ersten großen Versammlung seiner Bewegung Futuro e Libertà (Fli) setzte Fini dem einstigen Verbündeten praktisch ein Ultimatum. Fli sei nur bereit, Berlusconi weiter zu unterstützen, wenn dieser das Regierungsprogramm für den Rest der Legislaturperiode bis 2013 überarbeite und eine erweiterte Mehrheit im Parlament suche. Ohne die Stimmen der Anhänger von Fini hat die Koalition aus Berlusconis PDL und der Lega Nord keine Mehrheit.

Italienischen Agenturen zufolge reagierte Silvio Berlusconi im kleinen Kreis darauf völlig ablehnend. Wenn Fini der Ansicht sei, die Regierung sei am Ende, solle die Fli im Parlament gegen sie stimmen, äußerte er demnach. Fli hat eigene Fraktionen in Abgeordnetenkammer und Senat gebildet, nachdem Silvio Berlusconi Ende Juli den PDL-Mitgründer Fini der Partei verwiesen hatte.

Bei der von mehreren Tausend Fli-Anhängern besuchten Veranstaltung in Bastia Umbria in der Nähe von Perugia erhielt Fini starken Beifall. Wenn Berlusconi sich nicht für den Befreiungsschlag entscheide, würden die vier Fli-Leute in der Regierung dieser keine Minute länger angehören, sagte er. Es sind dies Europaminister Andrea Ronchi und drei Staatssekretäre.

Die Wähler können den Stecker ziehen

Italien sei nicht "das Land der Zeitvertreibe, als das Berlusconi es darstellt", sagte der Fli-Anführer. Die Regierung habe den Kurs verloren. Deshalb sei er auch gegen lineare Haushaltskürzungen, die der Finanzminister Mario Tremonti plant. Es gehe nicht darum, dass die Anhänger Berlusconis und die Finis um den Schwarzen Peter zockten, wer bei dieser Regierung "den Stecker zieht". Denn es sei klar, "wenn wir mit Tricks und Taktierereien weitermachen, ziehen den Stecker die Italiener, die eine Regierung leid sind, die nicht regiert". Fli sei nicht gegen die PDL oder Berlusconi. Fini sagte: "Wir sind mehr als die PDL und mehr als Berlusconi."

Das Projekt PDL, das aus Berlusconis früherer Partei Forza Italia und Finis Alleanza Nazionale entstand, sei ein erledigtes Kapitel, sagte Fini: "Die große liberale Revolution hat nie stattgefunden." Angriffe richtete Fini auch gegen den Koalitionspartner der PDL, die Lega Nord von Umberto Bossi. Die Lega schere sich nicht darum, was im Land jenseits des Po passiert. Und die PDL habe sich bei den Bürgerrechten ins Schlepptau der "schlechtesten Lega-Kultur" gehängt. Zu den Prinzipien im Manifest von Fli gehöre es aber, zwischen Menschen wegen ihrer Hautfarbe oder Religion keine Unterschiede zu machen. Fini kündigte nicht explizit die Gründung einer eigenen Partei an. Aus dem Kontext lässt sich aber entnehmen, dass dies der Plan für Fli ist.

© SZ vom 08.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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