Wie die Bilder sich gleichen: Aus dem Gaza-Streifen feuern Extremisten ihre Raketensalven gen Israel, die israelische Armee nimmt aus der Luft, vom Wasser aus und mit schwerer Artillerie Ziele auf palästinensischem Gebiet unter Dauerbeschuss, und an der Grenze stehen die Truppen samt Panzern bereit zur Bodenoffensive.
Alles schon einmal da gewesen, alles durchexerziert beim letzten Waffengang im Winter 2008/09. Damals hat Israel der Hamas eine schmerzhafte Lektion erteilt und danach immerhin für ein paar Jahre weitgehend Ruhe gehabt an der südlichen Flanke. Doch wer nun in Jerusalem denkt, dass dieser Abschreckungserfolg sich wiederholen ließe, der könnte einem folgenschweren Irrtum aufsitzen.
Denn Geschichte wiederholt sich nicht, Geschichte schreitet voran - und im Nahen Osten ist sie in der jüngsten Vergangenheit geradezu vorangestürmt. Die neue Militäroperation rund um Gaza entfaltet sich deshalb in einem dramatisch veränderten Umfeld gegenüber 2008, und dieses Umfeld ist für Israel weitaus problematischer geworden.
Gefüllte Waffenlager bei der Hamas
Der arabische Frühling hat jegliche Berechenbarkeit in den Nachbarstaaten hinweggefegt und neue Bedrohungen für den jüdischen Staat gebracht. Dies ist in den vergangenen Monaten bereits sehr praktisch spürbar gewesen: auf dem Sinai an der Grenze zu Ägypten, die schon mehrmals von Terror-Kommandos gestürmt wurde; auf dem Golan, wo der syrische Bürgerkrieg von Zeit zu Zeit herüberschwappt und wo erst vor wenigen Tagen israelische Truppen zur Warnung über die Grenze zurückschossen, nachdem wiederholt Granaten eingeschlagen waren.
Während jedoch die Instabilität in den Nachbarstaaten wuchs, konnten Israels Erzfeinde von der Hamas im Gaza-Streifen ihre Macht stabilisieren. Die Islamisten haben, vor allem mit iranischer Hilfe, nicht nur ihre Waffenlager gefüllt mit neuen Raketen, die nun nachweislich auch bis nach Tel Aviv und Jerusalem fliegen. Sie haben auch in der arabischen Welt politische Allianzen geschmiedet, durch die die Hamas vom Rand ins Zentrum rückte. Seit der Machtübernahme der Muslimbrüder in Ägypten genießt sie die Rückendeckung aus Kairo. Zudem hat sich jüngst der ebenso reiche wie einflussreiche Emir von Katar bei einem Besuch im Gaza-Streifen zu ihrem Paten erklärt. Und überdies dringt auch in den anderen arabischen Ländern das Volk mit Vehemenz darauf, dass die neuen Herrscher die Befreiung Palästinas nicht mehr nur als folgenloses Ceterum Censeo zelebrieren.
Durch all dies hat die Hamas so viel Selbstbewusstsein entwickelt, dass sie sich auf die Kraftprobe mit Israel eingelassen hat. Gewinnen kann sie diesen Kampf nicht, dazu sind die militärischen Kräfteverhältnisse einfach zu unterschiedlich. Aber Israel wäre gut beraten, diesen Einsatz nicht zu weit zu treiben - weder aus dem Gefühl der eigenen Stärke noch aus Rachsucht heraus. Denn im neuen Umfeld kann heute ein Angriff auf die Hamas plötzlich als Angriff auf die gesamte arabische Welt verstanden werden.