Wahl in Israel:"Viele haben einfach genug von Bibi"

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Gegen Premier Netanjahu, hier auf einem Wahlplakat, gibt es mehrere Korruptionsvorwürfe. Dennoch ist es wahrscheinlich, dass er nach der Wahl an der Macht bleibt. (Foto: dpa)

Heute wählt Israel. Der Filmemacher Dan Shadur spricht darüber, warum viele Israelis Premier Netanjahu ablehnen. Und er erklärt, warum der Mann mit dem netten Spitznamen trotzdem gute Chancen hat, an der Macht zu bleiben.

Interview von Alexandra Föderl-Schmid, Tel-Aviv

Schlammschlachten und Skandale waren im israelischen Wahlkampf an der Tagesordnung. Wenn die 6,3 Millionen Wahlberechtigten am heutigen Dienstag ein neues Parlament wählen, dann entscheiden sie nicht nur über die Besetzung der 120 Sitze in der Knesset. Sie stimmen vor allem über Benjamin Netanjahu ab - jenen Mann, der Israels Geschicke schon dreizehn Jahre lang als Premierminister bestimmt (von 1996 bis 1999, ununterbrochen seit 2009). Mit Benny Gantz war der 69-Jährige erstmals mit einem Herausforderer konfrontiert, der in Umfragen sogar vorne liegt. Gantz schmiedete das zentristische Bündnis Blau-Weiß. Allerdings werden Netanjahu bessere Chancen zugebilligt, eine Koalition zu bilden, weil der rechte Block um seine rechtsnationale Likud-Partei mehr als die Hälfte der Sitze in der Knesset besetzen dürfte.

Der 1978 geborene israelische Filmemacher Dan Shadur hat sich intensiv mit Bibi, wie Netanjahus Spitzname lautet, auseinandergesetzt. In seiner Dokumentation "King Bibi" zeigt er dessen Aufstieg zum Premierminister, der sich nun trotz der drohenden Anklagen in drei Korruptionsfällen für eine fünfte Amtszeit zur Wahl stellt.

SZ: Je näher der Wahltermin rückte, desto stärker schmolz der Vorsprung von Netanjahus Herausforderer Gantz. Warum spielten die Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu im Wahlkampf kaum eine Rolle?

Dan Shadur: Die Israelis kümmern sich nicht darum. Viele wählen ihn, weil sie ihm glauben, dass er so ein großartiger politischer Führer ist. Oder weil er Israel zu wirtschaftlicher Prosperität verholfen hat, was auch zutrifft. Deshalb kann Netanjahu eigentlich machen, was er will. Netanjahu hat auch schon vor zwei Jahren mit seinem Wahlkampf begonnen. Als die Untersuchungen wegen der Korruptionsvorwürfe gegen ihn starteten, hat er damit begonnen, sein Narrativ zu erzählen: Er ist das Opfer, es geht um eine Hexenjagd. Er hat das Rechtssystem und die Medien diskreditiert.

Hat es Netanjahu genützt, dass er die Glaubwürdigkeit der Medien, der Justiz und der Polizei in Zweifel gezogen hat?

Wenn er das nicht getan hätte, dann müsste er zurücktreten. Für ihn war das die einzige Möglichkeit, um an der Macht zu bleiben. Er hat viel erreicht. Netanjahu versucht aber darzustellen: Nur er alleine kann das alles schaffen. Das ist Teil seiner Propagandamaschine. Viele vertrauen ihm auf seltsame Weise.

Als der Wahlkampf noch gar nicht richtig losgegangen war, sah man in den Umfragen, dass Benny Gantz vorne lag: Damals hatte er noch kein Programm und auch keine Partei gegründet. Bedient Gantz den Wunsch nach einem Mann mit einer sauberen Weste, nach einer Alternative?

Natürlich, er bedient die Vorstellungen von vielen. Gantz ist für viele eine echte Alternative - die beste in den vergangenen zehn Jahren. Aber Gantz hat auch populistische Elemente. Man weiß in vielen Bereich nicht genau, was er will. Aber viele haben einfach genug von Bibi, und wählen jeden, der Charisma und Reputation hat - so wie Gantz. Man muss dann nicht viel machen, um als Alternative zu gelten und Unterstützung zu bekommen.

Steht Netanjahu vor seiner fünften Amtszeit als Premierminister?

Die Umfragen drehen sich zu seinen Gunsten. Er hat die besten Chancen, die Regierung zu bilden, weil es mehr rechtsgerichtete Parteien gibt. Es gibt auch mehr Konservative als Liberale in diesem Land. Es sieht so aus, dass es nicht genug Menschen gibt, die ein Problem mit ihm und den Korruptionsvorwürfen haben.

Rechnen Sie damit, dass er im Falle einer Anklage zurücktritt?

Ich glaube, dass er dann zurücktreten wird, weil es zu schwierig ist, weiter zu regieren. Wir wissen auch nicht, ob es noch weitere Untersuchen geben wird. Nach der Wahl wird erst das bisher vorliegende Belastungsmaterial veröffentlicht. Damit er nicht angeklagt wird, müsste er die Gesetze ändern.

Würde sich Netanjahu das trauen, ein Gesetz zu fördern, das ihn vor einer Anklage schützt?

Wenn er eine Koalition zustande bringt, die stark genug ist, könnte er das machen. Netanjahu hat nicht gesagt, dass er das nicht anstrebt. Er glaubt, im Vergleich zu dem, was er Gutes gemacht hat, kann man das andere ignorieren.

Warum haben Sie Ihren Film den Titel "King Bibi" verpasst?

Die große Frage ist: Bleiben wir eine Demokratie oder werden wir zu einer Art von Monarchie? Ich glaube, Israel marschiert schon in diese Richtung. Wenn jemand sagt, es ist mir egal, ob Netanjahu korrupt ist, denn er ist gut für Israel, dann ist das keine sehr demokratische Ansicht sondern eher eine monarchistische. Wenn Bibi-Unterstützer sagen, Netanjahu kann machen, was er will, dann beschädigt das die Prinzipien der Demokratie. Der Titel hat auch eine Doppelbedeutung - für die einen ist es eine positive Konnotation, die anderen verstehen darunter das Gegenteil, eine Kritik.

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