Nahost:Wohnzimmer-Plausch unter Feinden

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Eine besondere Geste - mehr wohl nicht: Israels Verteidigungsminister Benny Gantz hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nach Hause eingeladen. (Foto: Manuel Balce Ceneta/AP)

Israels Verteidigungsminister Gantz empfängt zu Hause den Palästinenserpräsidenten Abbas. Sie sprechen über Wirtschaftshilfen, aber der Friedensprozess bleibt weiter blockiert.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Wenn sich Politiker in privater Atmosphäre zu Hause treffen, deutet das auf eine besondere Vertrautheit hin. Ungewöhnlicher noch ist es, wenn zu einem solchen Tête-à-Tête keine Freunde, sondern zwei Feinde zusammenkommen. Dass Israels Verteidigungsminister Benny Gantz am Dienstagabend in seinem Domizil in Rosch Haayin den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas bewirtete, darf also getrost als besondere Geste gewertet werden - als mehr allerdings auch nicht.

In mageren drei Sätzen hat die israelische Regierung das zweieinhalbstündige Treffen hinterher zusammengefasst, und vom Frieden war da nicht die Rede. Allein die palästinensische Seite vermeldete, es sei darüber gesprochen worden, wie ein "politischer Horizont" zur Beilegung des israelisch-palästinensischen Konflikts geschaffen werden könnte. Die Israelis beschränkten sich darauf, von einer "Diskussion über einige Sicherheits- und zivile Themen" zu sprechen.

Das Treffen ist die Fortsetzung eines Dialogs, den Gantz im August mit einem Besuch bei Abbas in Ramallah begonnen hatte. Dass Abbas nun zu einem derartigen Treffen nach Israel kommt, hat es seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gegeben. Der frühere israelische Premier Benjamin Netanjahu hatte den Palästinenserpräsidenten ignoriert, wo er nur konnte. Der gesamte Friedensprozess liegt seit 2014 brach.

Die seit Juni amtierende neue israelische Regierung macht zwar auch keinerlei Anstalten, diesen Prozess wieder aufzunehmen. Innerhalb der heterogenen Koalition, die aus rechten, linken und einer arabischen Partei besteht, lässt sich dazu kein Konsens finden - und Premierminister Naftali Bennett hält sowieso prinzipiell nichts von der Gründung eines Palästinenserstaats. Aber immerhin hat man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt, das Leben der Palästinenser in den besetzten Gebieten zu erleichtern. Das Motto: Der Konflikt wird nicht gelöst, aber die Konfliktpunkte werden möglichst reduziert.

"Vertrauensbildende Maßnahmen im wirtschaftlichen und zivilen Bereich" standen deshalb auch im Mittelpunkt des Treffen von Gantz und Abbas. Konkret sagten die Israelis zu, der chronisch klammen Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) mit 100 Millionen Schekeln, umgerechnet rund 28 Millionen Euro, aus der Patsche zu helfen. Das Geld ist ein Vorschuss aus jenen Steuer- und Zolleinnahmen, die Israel für die Palästinenser kassiert.

Zudem sollen insgesamt 9500 Palästinenser im Westjordanland und im Gazastreifen gesicherte Aufenthaltsrechte bekommen. Einige Hundert palästinensische Geschäftsleute dürfen künftig mit ihren Autos nach Israel fahren. Ein paar Dutzend Funktionäre der Palästinensischen Autonomiebehörde werden von Israel mit VIP-Pässen ausgestattet. Berichten zufolge soll Abbas seinen Gastgeber auch auf jene sechs palästinensischen Nichtregierungsorganisationen angesprochen haben, die Gantz im Oktober trotz internationaler Proteste zu Terrorgruppen erklärt hatte. Dazu jedoch gab es von israelischer Seite keinen Kommentar.

Mit solchen eher kleinen Gesten hofft Israels Regierung gleich zweierlei zu erreichen. Erstens: den in der palästinensischen Bevölkerung zunehmend unbeliebten Abbas gegenüber der Konkurrenz von der weitaus radikaleren Hamas zu stärken. Zweitens: die Sicherheitslage in den besetzten Gebieten durch eine Festigung der Kooperation mit der Autonomiebehörde zu stabilisieren. Die Lage dort ist derzeit angespannt. Im Westjordanland und in Ostjerusalem hat es in den vergangenen Wochen mehrere Anschläge von Palästinensern auf Israelis gegeben. Zudem war es vermehrt zu gewaltsamen Übergriffen von israelischen Siedlern auf Palästinensern gekommen.

Kritik am Treffen zwischen Gantz und Abbas gab es hinterher nicht nur von den üblichen Verdächtigen, also von Netanjahus Likud-Partei und von der Hamas. Auch aus dem Regierungslager meldete sich Bauminister Zeev Elkin zu Wort. "Ich würde niemanden in mein Haus einladen, der Gehälter an die Mörder von Israelis zahlt und der mich wegen Kriegsverbrechen vor Gericht bringen will", sagte er in einem Radiointerview.

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