Wechsel in Dublin:Simon Harris soll Irland regieren

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In seiner ersten Rede als neuer Vorsitzender seiner Partei Fine Gael kündigte Simon Harris an, für "Recht und Ordnung" einzutreten. (Foto: Eamon Ward/dpa)

Der Hochschulminister soll dem zurückgetretenen Leo Varadkar als Regierungschef nachfolgen. Er wäre der jüngste Ministerpräsident in der Geschichte des Landes.

Simon Harris soll neuer Regierungschef von Irland werden. Der bisherige Hochschulminister wurde am Sonntag von seiner Partei Fine Gael zum neuen Parteichef ernannt - damit soll er auch dem bisherigen Ministerpräsidenten oder Taoiseach, wie das Amt in Irland offiziell heißt, als Regierungschef nachfolgen. Das Parlament wird ihn voraussichtlich nach der Osterpause im April offiziell bestätigen.

Der derzeitige Regierungschef Leo Varadkar hatte vergangenen Mittwoch seinen Rücktritt angekündigt und damit auch die eigene Partei sowie die Koalitionspartner Fianna Fail und Grüne überrascht. Der 45-Jährige verwies auf persönliche wie politische Gründe für den Schritt, den Medien in dem EU-Land als "politisches Erdbeben" bezeichneten.

Der reiche Inselstaat hat mit einigen Problemen zu kämpfen

Mehrere Minister und Abgeordnete von Fine Gael hatten sich für Harris als neuen Parteichef und damit künftigen Taoiseach ausgesprochen. Harris ist derzeit Minister für Hochschulen, Wissenschaft und Forschung. Zuvor war er Gesundheitsminister. Er war der einzige Bewerber für das Amt des Parteichefs, nachdem mehrere gehandelte Kandidaten angekündigt hatten, sich nicht zu bewerben, etwa Ex-Außenminister Simon Coveney und Justizministerin Helen McEntee.

In einer Rede zu seiner Wahl als Parteivorsitzender kündigte er an, kleine Unternehmen, die Bauern, Arbeiter und die Landbevölkerung unterstützen zu wollen. Er sprach sich für die Europäische Union aus und kündigte ein "faireres" Migrationssystem an, ohne dazu ins Detail zu gehen. Er sagte auch, wortwörtlich, seine Partei stehe für "law and order", was sich etwa als "Recht und Ordnung" übersetzen lässt, aber im Englischen auch einen Unterton hat, der signalisiert: Hier möchte einer durchgreifen.

Das wird auch nötig sein. Irland hatte zuletzt mit einigen Problemen zu kämpfen. Seit Jahren gelingt es der Regierung nicht, die seit dem Platzen einer Immobilienblase vor 15 Jahren immer größer gewordene Wohnungsnot in den Griff zu bekommen. Vor allem in der Hauptstadt Dublin sind die Preise für Häuser und Wohnungen extrem hoch.

Wie genau er die Probleme lösen will, verrät Harris noch nicht

Im vergangenen Jahr gab es nach einem Messerangriff auf Kinder in Dublin außerdem gewalttätige Ausschreitungen. Hunderte Aufgebrachte setzen Fahrzeuge in Brand, plünderten Geschäfte und lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. Mit konkreten politischen Forderungen waren die Krawalle nicht verbunden. Schon zuvor hatte es aber Proteste gegen die Regierung gegeben, unter anderem mit einer Galgenattrappe vor dem Parlament. Immer wieder sind in den vergangenen Jahren auch gezielt Ausländer angegriffen worden.

Wie genau er auf diese Probleme seines Landes eingehen möchte, verriet Harris noch nicht, Aussagen wie die Ankündigung eines "law and order"-Kurses lassen aber zumindest erahnen, dass er die Spannungen in der irischen Gesellschaft erkannt hat und ernst nimmt.

Zumindest sein Krisenmanagement als Gesundheitsminister während der Corona-Pandemie konnte viele von seinen Führungsfähigkeiten überzeugen - obwohl er damals in einem Radiointerview verkündete, Covid-19 sei das 19. Coronavirus, und nicht wusste, dass die Krankheit nach dem Jahr ihres Auftretens benannt ist. Laut der Zeitung The Irish Times bezeichnete er sich danach selbst als "schrecklichen alten Idioten".

Die Chefin der größten Oppositionspartei Sinn Fein, Mary Lou McDonald, hatte nach Varadkars Rückzugsankündigung Protest eingelegt und eine Neuwahl gefordert. Die Entscheidung über den nächsten Regierungschef dürfe nicht von einer Partei getroffen werden, kritisierte sie. Sowohl die Regierungspartei als auch ihr größter Koalitionspartner Fianna Fail schwächeln derzeit in Umfragen. Sinn Fein, früher der politische Arm der IRA, liegt derzeit vorn. Alle Koalitionspartner hatten nach Varadkars Ankündigung umgehend betont, dass keine vorgezogene Neuwahl nötig sei. Die nächste reguläre Parlamentswahl muss spätestens im Frühling 2025 erfolgen. Der 37-jährige Simon Harris wird, sobald er offiziell im Amt bestätigt ist, der bisher jüngste Taoiseach. Sein Vorgänger war 38 Jahre alt, als er 2017 Regierungschef wurde.

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