Irans Atomprogramm:Der Coup der CIA

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Herber Schlag für Ahmadinedschad: Ein verschwundener iranischer Atomwissenschaftler soll wieder aufgetaucht sein - als Mitarbeiter des US-Geheimdienstes CIA. Dort soll er Geheimes über Irans Atomanlagen auspacken.

Von einer Pilgerreise nach Mekka Ende Mai 2009 ist der junge Wissenschaftler einfach nicht zurückgekehrt. Am 3. Juni haben sie noch einmal miteinander telefoniert, sagte seine Frau. Da habe er berichtet, dass die Polizei ihn bei der Ankunft auf dem Flughafen in Saudi-Arabien eingehend befragt habe, "mehr als alle anderen Passagiere".

Seitdem galt Shahram Amiri, Nuklearwissenschaftler der Teheraner Malek-Ashtar-Universität, als verschollen. Irans Außenminister Manutschehr Mottaki machte zuerst Saudi-Arabien für Amiris Verschwinden verantwortlich, beschuldigte dann aber die USA, Amiri entführt zu haben.

Nun ist klar: Der Atomwissenschaftler ist nicht Opfer eines Gewaltverbrechens geworden, er hat Iran freiwillig den Rücken gekehrt. Wie der US-Nachrichtensender ABC News jetzt berichtet hat, ist Amiri zum amerikanischen Geheimdienst CIA übergelaufen.

Seitenwechsel von langer Hand geplant

ABC News beruft sich in dem Bericht auf Geheimdienstkreise. Demnach bezeichneten US-Geheimdienstleister die Abwerbung als "Coup" bei den Bemühungen Washingtons, das iranische Atomprogramm zu torpedieren.

Die CIA soll den Seitenwechsel von langer Hand geplant haben: Der Geheimdienst habe Amiri über einen Mittelsmann kontaktiert, der ihm die Zusammenarbeit und einen Umzug in die USA angeboten habe.

Gerüchte, dass Amiri in den USA gelandet und dort Geheimnisse über Irans Atomanalagen ausplaudern könnte, kursierten schon länger.

Nicht nur, dass Außenminister Mottaki Amerika beschuldigt hatte, den Wissenschaftler, der etwas mehr als 30 Jahre alt sein soll, verschleppt zu haben. Bereits im Oktober hatte die ultrakonservative iranische Zeitung Dschavan von einer Verwicklung der CIA in den Fall geschrieben.

Amiri soll in Anlage zur Urananreicherung gearbeitet haben

Und einige Monate nach Amiris Verschwinden sorgte US-Präsident Barack Obama für Aufsehen mit der Meldung, die USA, Großbritannien und Frankreich hätten Beweise, dass Iran eine neue Anlage zur Urananreicherung errichtet habe. Obama sagte auch, die Hinweise, dass die neue Anlage Uran anreichern soll, habe man im Jahr 2009 erhalten.

Das nährte Vermutungen, Amiri könne die Informationen übermittelt haben. Denn die iranische Website Jahannews, die den Hardlinern in Iran nahesteht, hatte gemeldet, der Wissenschaftler sei in der Anlage bei Qom eingesetzt worden.

Auch die studentische Nachrichtenagentur Isna hatte von "Gerüchten" berichtet, Amiri habe für Irans Atomenergiebehörde gearbeitet. Und im Dezember schrieb die britische Zeitung Sunday Telegraph, Amiri habe Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde bei einem Treffen auf dem Frankfurter Flughafen mit Insiderinformationen über die Anlage in Qom versorgt.

Lesen Sie auf Seite 2, wie Teheran versucht, die Bedeutung Amiris herunterzuspielen.

Gleichzeitig versuchten offizielle iranische Stellen immer wieder, die Bedeutung des jungen Wissenschaftlers herunterzuspielen: Außenminister Mottaki nannte ihn einen "einfachen Pilger", iranische Medien bezeichneten Amiri lediglich als Forscher oder Physiker.

Auch US-Medien hinterfragen nun, wie wichtig Amiri ist und wie viel sein Engagement der CIA bringt. "Die Bedeutung dieses Coups hängt davon ab, wie viel der Wissenschaftler über das in viele Bereiche aufgeteilte iranische Atomprogramm weiß", urteilte Richard Clarke, ein ehemaliger Terrorexperte des Weißen Hauses, in dem ABC-Bericht: "Nur einen Wissenschaftler aus dem Programm zu nehmen, wird es nicht zu Fall bringen."

Doch alleine die Tatsache, dass Amiri an der Malek-Ashtar-Universität forschte, weist darauf hin, dass er so unbedeutend nicht sein kann: Die staatliche Lehranstalt mit Instituten in Teheran, Isfahan und Karaj gilt Oppositionellen als eine jener Forschungsstätten, an der die Revolutionswächter am Atomprogramm arbeiten. Angeblich wird dort daran gearbeitet, den Zündmechanismus für eine Nuklearbombe zu bauen.

Weitere Forscher vermisst

Nach früheren Angaben der iranischen Exil-Opposition hat das Teheraner Regime in den neunziger Jahren damit begonnen, geheime Forschungseinrichtungen für ein Atomwaffenprogramm in die staatlichen Universitäten zu verlagern. So sollten die geheimen Atom-Institute den Ermittlern der Internationalen Atombehörde verborgen bleiben.

Die Doppelfunktion der Teheraner Universität ist bisher nicht bestätigt worden. Die Hochschule betreibt aber Forschung für die Verteidigungsindustrie.

Amiri dürfte nicht der einzige iranische Wissenschaftler sein, den die CIA als Informanten gewonnen hat.

So haben ehemalige Gemeindienstmitarbeiter ABC News gesagt, die CIA versuche seit mehr als zehn Jahren, über in den USA lebende Verwandte an iranische Wissenschaftler und Informanten heranzukommen. Insbesondere in der Gegend um Los Angeles hätten Mitarbeiter in diesem Zusammenhang Hunderte Interviews geführt.

Iranische Medien hatten zudem unlängst berichtet, Amiri sei einer von elf Iranern, die laut Teheran von den Amerikanern entführt worden seien. Der iranische Außenminister Mottaki habe sich deswegen im vergangenen Jahr auch bei UN-Chef Ban Ki Moon beschwert. Denn es sei zu befürchten, dass sie nukleartechnische Informationen an den Westen geben würden. Genau das ist offenbar passiert.

Irans Präsident versucht derweil die Bedeutung des Atomprogramms herunterzuspielen. Bei der Einweihung eines neuen Staudamms im Südwesten des Landes warf Mahmud Ahmadinedschad unlängst dem Westen vor, sich über die Causa "künstlich aufzuregen".

Für die Furcht Washingtons vor einer iranischen Atombombe hatte er nur Spott übrig: Der Staatschef erwähnte die Atombombenabwürfe der USA über Hiroshima und Nagasaki 1945. "Die Amerikaner haben die Bombe gebaut und sogar eingesetzt", ätzte Ahmadinedschad, "wer also sollte besorgt sein?"

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