Iranischer Atomforscher:Wertvolle Quelle in Teheran

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Wurde Sahram Amiri gekidnappt oder lieferte er den USA freiwillig Informationen zum iranischen Atomprogramm? Der Nuklearforscher selbst trägt nur bedingt zur Aufklärung bei: Seine Situation sei "schwierig zu erklären".

Paul-Anton Krüger

Nach der Rückkehr von Shahram Amiri nach Teheran haben Geheimdienstkreise in den USA neue Details über ihre Zusammenarbeit mit dem angeblichen Nuklearwissenschaftler in Umlauf gebracht - offenbar im Bestreben, ihre Version der Geschichte zu stützen. Demnach ist Amiri freiwillig übergelaufen und nicht im Juni 2009 in Saudi-Arabien gekidnappt worden, wie er nach seinem Eintreffen am internationalen Flughafen von Teheran am Donnerstagmorgen nochmals bekräftigt hatte.

Verwirrspiel um Shahram Amiri: Lief der Atomforscher freiwillig über oder wurde er von einem US-Geheimdienst gekidnappt? (Foto: getty)

Nach Informationen der New York Times aus Regierungskreisen soll Amiri bereits vor seinem Verschwinden mehr als zwei Jahre lang den USA geheime Informationen geliefert haben. Die zitierte Quelle beschreibt diese als "bedeutend und originär". So habe Amiri Details weitergegeben, wie eine Teheraner Universität zum geheimen Hauptquartier für den militärischen Teil des iranischen Atomprogramms umfunktioniert wurde. Die Rede ist von der Malek-Aschtar-Universität, die auch auf der Sanktionsliste der UN steht.

Überläufer werden intensiv befragt

Die Universität wird von den Revolutionsgarden kontrolliert, die auch die auf den Bau von Waffen gerichteten Teile des Atomprogramms verantworten. Der Chef dieses Projekts, Mohsen Fachrisade, ein hoher Offizier der Garden, soll an der Universität Physikvorlesungen halten und laut den angeblich von Amiri stammenden Informationen mittlerweile de facto die Leitung übernommen haben. Amiri selbst hat sich als "normaler Forscher" an dieser Universität bezeichnet, der mit nuklearen Themen nichts zu tun gehabt habe, seine Frau hatte gesagt, er forsche "an der medizinischen Nutzung von Radionukliden". Nach Überzeugung der amerikanischen Dienste war er ein Spezialist für Strahlenmessung, wie sie zum Schutz von Mitarbeitern in Nuklearanlagen vorgenommen wird. Laut New York Times sollen Berichte Amiris auch in die umstrittene Einschätzung der 16 US-Geheimdienste von 2007 eingeflossen sein, wonach Iran sein Programm zum Bau von Atomwaffen mit großer Sicherheit im Jahr 2003 eingestellt hat.

Schilderungen Amiris über seine angebliche Gefangenschaft in den USA widersprechen womöglich nur auf den ersten Blick der US-Version, er habe sich freiwillig dort aufgehalten. So hieß es aus Kreisen westlicher Geheimdienste, Überläufer würden grundsätzlich über einen längeren Zeitraum intensiv befragt. Man bringe sie an einen sicheren Ort, der zu ihrem Schutz bewacht werde; sie könnten sich in dieser Phase auch nicht frei bewegen.

Um sie vor Racheakten zu schützen, würden sie zum Teil auch noch bewacht, nachdem sie - meist unter falscher Identität - in einer Art Zeugenschutzprogramm ins zivile Leben entlassen würden. Amiri hatte berichtet, er sei in den ersten zwei Monaten psychisch unter Druck gesetzt worden und während der ganzen Zeit "von bewaffneten Agenten" bewacht worden. Bevor er nach Iran zurückkehrte, sagte er dem iranischen Rundfunk Irib, er sei "weder völlig frei noch völlig gefangen" gewesen. Seine Situation sei "schwierig zu erklären".

© SZ vom 17.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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