Iran und die nukleare Bedrohung:Anreicherung der Macht

Lesezeit: 3 min

Stolz in Iran, Sorge bei den westlichen Staaten: An diesem Samstag beginnen Techniker damit, die Brennstäbe in Irans erstes Atomkraftwerk in Buschir einzubauen. Das Projekt war von Anfang an eine Provokation des Westens.

Paul-Anton Krüger

Es ist ein bisschen wie das Durchschneiden einer Schleife bei der Eröffnung einer Autobahn, wenn an diesem Samstag 160 sechseckige Brennelemente aus einem Lager in die Reaktorhalle des iranischen Kernkraftwerks Buschir gebracht werden. "Dieses Ereignis symbolisiert das Ende der Testphase und den Anfang der Inbetriebnahme", teilte Rosatom jüngst mit, die russische Atombehörde, die den Reaktor am Persischen Golf baut und den Brennstoff geliefert hat.

Eine Mehrheit in Iran befürwortet zivile Atomenergie, egal wie die Menschen zum Regime stehen: Das iranische Kernkraftwerk Buschir im Südwesten des Landes. (Foto: AP)

Bis der wohl umstrittenste aller dann 441 Atommeiler weltweit tatsächlich Strom produziert, werden noch Monate vergehen. Doch die politische Symbolik und die psychologische Bedeutung der Eröffnungszeremonie, zu der Rosatom-Chef Sergej Kirijenko aus Moskau anreist, ist nicht hoch genug einzuschätzen.

Iranische Offizielle rekapitulieren gerne die wechselvolle Geschichte dieses Prestigeprojekts. Sie beklagen, dass die deutsche Kraftwerk Union, ein Joint Venture von Siemens und AEG, nach der Islamischen Revolution 1979 die noch vom Schah georderten Kraftwerke nicht fertigstellte. Sie empören sich, dass die Welt mit stiller Billigung hinnahm, dass der irakische Diktator Saddam Hussein im Krieg zwischen 1980 und 1988 die zu 85 und 60 Prozent errichteten Blöcke, baugleich jenen im hessischen Biblis, zu Schutt zerbomben ließ.

Und sie machen Druck der USA dafür verantwortlich, dass sich die Eröffnung immer wieder verschob, nachdem sich Russland Anfang 1992 verpflichtet hatte, auf den Ruinen von BlockI einen Druckwasserreaktor sowjetischen Typs zu erbauen. Denn eigentlich hätte der schon 2007 ans Netz gehen sollen.

Für das Establishment in Teheran steht die Fertigstellung des Kraftwerks, 35 Jahre nach dem ersten Baubeginn, für den "fruchtbaren Widerstand" gegen den Westen, für die "Autarkie Irans" und für sein Recht auf friedliche Nutzung der Kernenergie - kurzum: für einen großen Sieg gegen die USA, den Westen und all die Sanktionen und zugleich als Beleg für die Leistungsfähigkeit des politischen Systems der Islamischen Republik.

Viele Iraner sehen die weiße Kuppel des Meilers ebenfalls als Ikone nationalen Stolzes und technischen Fortschritts. Eine Mehrheit im Land befürwortet zivile Atomenergie, egal wie die Menschen zum Regime stehen oder dessen Streben, sich mindestens die notwendigen Ingredienzien für Atomwaffen zu verschaffen.

Hardliner wie der einstige US-Botschafter bei den UN, John Bolton, sehen dagegen die letzte Chance schwinden, Iran neben der Urananreicherung einen Weg zur Bombe zu verwehren. Der würde über das Plutonium führen, das beim Betrieb in den Brennelementen entsteht. "Israel hat nur noch Tage, den Reaktor zu bombardieren", orakelte Bolton kürzlich. Danach sei das Risiko zu groß, Radioaktivität könnte freigesetzt werden.

Nüchterner und realistischer ist dagegen die Einschätzung westlicher Diplomaten: Die Inbetriebnahme von Buschir "gehört nicht zu den sensiblen Nuklearaktivitäten, die Iran durch den UN-Sicherheitsrat untersagt sind", heißt es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin - eine Auffassung, die in der EU geteilt wird und auch von den Vetomächten im UN-Sicherheitsrat.

Die USA hatten ihren grundsätzlichen Widerstand gegen das Projekt schon unter der Regierung George W. Bushs zurückgenommen, sehr zum Missfallen Boltons und seiner damals noch mächtigen Gesinnungsgenossen. Die Russen hatten mit den Iranern vereinbart, nicht nur die neuen Brennstäbe zu liefern, sondern die abgebrannten zurückzuverlangen. Damit sollte der Möglichkeit vorgebeugt werden, dass Iran daraus Plutonium extrahiert.

Beharren auf einem anderen Argument

Unabhängige Experten wie David Albright vom Institute for Science and International Security in Washington halten es zwar "nicht für ausgeschlossen, aber für relativ unwahrscheinlich", dass Iran die Brennstäbe für den Bombenbau missbraucht. Die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA überwachen den Meiler, zudem fallen bei Normalbetrieb zur Stromerzeugung neben waffenfähigem Plutonium239 auch andere Isotope an, die das Material für militärische Zwecke ungeeignet machen.

Sollte Iran den Reaktor so fahren, dass er optimal den Bombenstoff erbrütete, fiele das schnell auf. Zudem besitzt das Land noch keine Wiederaufarbeitungsanlage, um das Plutonium herauszulösen.

Der Westen beharrt jedoch auf einem anderen Argument, das für das Umschwenken Bushs entscheidend war: Die Belieferung des Reaktors mit Brennstoff aus Russland zeige, so ein Sprecher des Auswärtigen Amtes, "dass Iran keine eigenen Anreicherungskapazitäten entwickeln muss, um Kernenergie friedlich nutzen zu können".

Das freilich sieht die Islamische Republik anders: Auf Zusagen aus dem Ausland könne man sich nicht verlassen, erwidert Irans Vizepräsident Ali Akbar Salehi, zugleich Chef der Atombehörde, und natürlich bedient er sich der Geschichte Buschirs als Beleg. Für den Reaktor wird Iran mit seinen Zentrifugen in der Nuklearfabrik Natans wohl auch in Jahren noch nicht genug Uran produzieren können, aber er liefert die politische Rechtfertigung für das umstrittene Programm. Als Ausgangsstoff reicht das dort erzeugte Uran schon heute für ein bis zwei Bomben.

© SZ vom 21.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: