Iran: Mahmud Ahmadinedschad:Der entrückte Präsident

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Postengerangel und Mystik: Präsident Ahmadinedschad verliert an politischer Macht und strebt deshalb nach Höherem: Er hofft auf die baldige Ankunft des sagenhaften Zwölften Imam.

R. Chimelli

Selbst in ihren stabilsten Zeiten war die Islamische Republik Iran kein Monolith der Macht. Seit Jahren rangen Konservative und Reformer, Radikale und Pragmatiker um Einfluss und Einzelheiten der nationalen Politik.

Seine Wiederwahl ist umstritten: Mahmud Ahmadinedschad, Präsident von Iran (Foto: Foto: Reuters)

Doch durch die Auseinandersetzungen um die Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist die herrschende Klasse nun so gespalten, dass der Staatschef allergrößte Mühe hatte, dem Parlament am Mittwoch termingemäß eine Minister-Liste zu präsentieren, auf der freilich erst 18 der 21 Ressorts besetzt waren.

Wie viele der vorgeschlagenen Kabinettsmitglieder die Abgeordneten billigen werden, steht in den Sternen. Sie beginnen mit den Beratungen erst am kommenden Sonntag.

Zu sechs Namen, die schon im Voraus bekannt geworden waren, sagte der einflussreiche konservative Abgeordnete Ahmad Tawakoli: "Da sind Leute darunter, die nicht einen einzigen Tag Verwaltungserfahrung haben."

Erst in letzter Stunde stellte sich heraus, dass der von Ahmadinedschad bevorzugte linientreue Apparatschik Said Dschalili nicht Außenminister wird. Der umgänglichere Manutschehr Mottaki behält sein Amt.

Der Präsident will durch die Regierungsbildung in erster Linie seine Hausmacht ausbauen. Dazu muss er sich gegen den Geistlichen Führer Ali Chamenei durchsetzen, der seinerseits Schlüsselpositionen mit Getreuen ausstattet, so im Falle des neuen Justiz-Chefs Sadegh Laridschani, ein Bruder des Parlamentsvorsitzenden Ali Laridschani. Beide sind zuverlässige Gegner Ahmadinedschads.

Als dieser seinen Freund und Verwandten Esfandiar Rahim Maschai zum Vizepräsidenten ernennen wollte, sprach Chamenei ein Machtwort. Da spreizte der Präsident sich ein und machte den Geschassten zu seinem Bürochef und Berater. Für alle ist seither die Rivalität der beiden Häupter des konservativen Lagers sichtbar.

Ahmadinedschad entließ auch den Geheimdienstminister Gholam-Hussein Edschei sowie mehrere Spitzenbeamte des Ministeriums. Sie hatten in einem Bericht an Chamenei die Version Ahmadinedschads bestritten, die Proteste gegen seine Wiederwahl seien vom Ausland inszeniert worden.

Der neue Geheimdienstminister Heidar Moslehi ist dem Präsidenten treu. Doch sein entlassener Vorgänger ist nicht in Verbannung, sondern wird Generalstaatsanwalt.

Als der bisherige Verteidigungsminister Mustafa Mohammed-Nadschar bei der Vereidigung Ahmadinedschads in Zivil erschien, vermuteten Eingeweihte bereits, dass er ins Innenministerium wechseln würde.

Er ist General, kommt aus der Revolutionsgarde wie der Präsident, spricht fließend Arabisch, wirkte am Aufbau der libanesischen Hisbollah mit, hat oft für Rüstungskäufe Russland besucht und gilt unter den Pasdaran-Kommandeuren als ein Mann der härtesten Linie. Erst wenn die vollständige Kabinettsliste vorliegt, wird auch das ganze Gewicht der Pasdaran in der Regierung sichtbar sein.

Warten auf den Imam - und das Ende der Zeiten

Jenseits solcher Personalien strebt Ahmadinedschad nach einer höheren Legitimität - an Chamenei vorbei. Bei jeder Gelegenheit pflegt der Präsident den Kult des Zwölften Imams, der nach dem Glauben der Schiiten vor 1200 Jahren entrückt wurde und am Ende der Zeiten als Mahdi wiederkehren wird.

Dies soll, so deuten Ahmadinedschad und sein geistlicher Mentor Ayatollah Mohammed Taghi Mesbah-Jasdi ständig an, recht bald geschehen. Bei Kabinettssitzungen hält der Präsident einen Platz für den Mahdi frei.

In einer groß ausgebauten Moschee bei Ghom, die ihm gewidmet ist, ließ er kürzlich von Tankwagen großflächig Rosenwasser versprühen. Von einem Projekt für eine direkte Straße von Ghom ins irakische Samarra ist die Rede, dem Entrückungsort des Imam.

Die Lektion all dieser Zeremonien lautet: Wer dem größeren Herrn der Welt so eng verbunden ist, braucht nicht unbedingt auf dessen Statthalter Chamenei zu hören.

© SZ vom 20. August 2009/odg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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