Irak:Streit um Kurdenstaat eskaliert

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Das Oberste Gericht in Bagdad verbietet die geplante Volksabstimmung über Unabhängigkeit.

Von Paul-Anton Krüger und Christoph Hickmann, Kairo/Berlin

Eine Woche vor der geplanten Volksabstimmung über eine Unabhängigkeit in den irakischen Kurdengebieten hat UN-Generalsekretär António Guterres eindringlich davor gewarnt, Erfolge im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aufs Spiel zu setzen. Eine einseitige Entscheidung, jetzt ein Referendum abzuhalten, gefährde den Sieg gegen den IS sowie Bemühungen, die zurückeroberten Gebiete wieder aufzubauen und Millionen Flüchtlingen die Rückkehr zu ermöglichen, sagte ein UN-Sprecher in New York.

Guterres schloss sich damit Appellen von US-Präsident Donald Trump und vieler europäischer Regierungen an. Das Weiße Haus rief die kurdische Regionalregierung von Präsident Masud Barzani auf, das Referendum abzusagen und in "einen ernsthaften und andauernden Dialog" mit der irakischen Zentralregierung von Premier Haidar al-Abadi einzutreten. Das Oberste Gericht in Bagdad ordnete am Montag an, die Abstimmung zu verschieben. In Erbil, der Hauptstadt der irakischen Kurden, gab es zunächst keine offizielle Reaktion.

Auch die Bundesregierung lehnt das Referendum ab. "Es führt bei uns zu großer Sorge", hieß es im Auswärtigen Amt. Die Peschmerga hätten Großes im Kampf gegen IS geleistet, gewonnen sei dieser aber noch nicht. "Dafür müssen wir auch verhindern, dass alte Konfliktlinien wieder aufbrechen oder neue aufgerissen werden." Das gelte innerhalb des Irak ebenso wie im Verhältnis zu den Nachbarstaaten.

Der Anführer einer von Iran unterstützten Schiiten-Miliz hat mit Gewalt gedroht, sollten die Kurden auch in jenen Gebieten abstimmen lassen, die zwischen Erbil und Bagdad umstritten sind. Es geht vor allem um Kirkuk, wo die zweitgrößten Ölreserven des Irak liegen. Die Peschmerga hatten die Stadt übernommen, als 2014 die irakische Armee vor dem IS geflohen war.

Für die Bundesregierung stellt sich die Frage, ob sie Ausbildungshilfe und Waffenlieferungen der Bundeswehr für die Peschmerga fortsetzen kann, wenn das Referendum am 25. September stattfindet. Derzeit befinden sich 140 deutsche Soldaten in dem Einsatz. Im Juli wurden noch einmal 20 Ambulanz-Fahrzeuge an die Kurden übergeben. Insgesamt wurde nach Angaben des Verteidigungsministeriums bislang Ausrüstung im Wert von etwa 90 Millionen Euro geliefert. Ende Januar läuft das Mandat aus; ob es verlängert wird, muss der neue Bundestag entscheiden.

Berlin hat stets mit Genehmigung Bagdads geliefert. Die Kurden mussten zusichern, die Waffen nur gegen den IS einzusetzen. Ein gegen Bagdads Willen gehaltenes Referendum aber wäre, ohne dass die Bundesregierung dies explizit sagt, bei einer Entscheidung über ein Mandat zu berücksichtigen. Aus militärischer Sicht sei die Ausbildung der Peschmerga "ein Erfolg", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Gerade die Kombination aus Ausbildung und Unterstützung mit Material ermögliche es, erfolgreich gegen den IS zu kämpfen. "Aus unserer Sicht sollte es das Ziel sein, dies fortzusetzen - schließlich ist der IS noch nicht besiegt."

© SZ vom 19.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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