Interview-Panne:Sanders gerät im Schatten der Wall Street ins Schlingern

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Sanders spricht auf einer Wahlkampfveranstaltung in Wisconsin. (Foto: REUTERS)
  • Die Macht der Großbanken ist Bernie Sanders zuwider.
  • Im Interview mit der New York Daily News fällt es ihm im Fragengewirr des Reporters schwer, seine Strategie dagegen zu formulieren - sehr zur Freude seiner Wahlkampfgegnerin Hillary Clinton.

Von Markus Mayr

Bernie Sanders nennt sich selbst einen "demokratischen Sozialisten". Entsprechend sozialistisch sind die Züge seines Programms für den US-Vorwahlkampf. Anfang des Jahres machte der Senator aus Vermont mit Plänen zur Zerschlagung von Großbanken von sich reden. Er will die Macht der Wall Street brechen.

"Wenn eine Bank zu groß ist, um zu scheitern, dann ist sie zu groß, um zu existieren", sagte Sanders Anfang Januar unweit der Wall Street, wo Banker und Börsenhändler täglich mit Millionen-Dollar-Beträgen zocken. Dass die amerikanischen Steuerzahler Banken retten müssen - wie zu Beginn der weltweiten Finanzkrise 2008 geschehen -, dürfe nicht mehr passieren, so Sanders. Sollte er Präsident der USA werden, wolle er innerhalb eines Jahres dem "too big to fail"-Konzept ein Ende setzen.

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Aber wie? Am vergangenen Freitag brachte ein Journalist der New York Daily News Sanders mit genau dieser Frage in die Bredouille. Während des Interviews in den Büroräumen der Zeitung in Downtown Manhattan geriet Sanders beim Antworten ins Schlingern: Im Schatten der Wall Street, die nur wenige Blocks von den Büros entfernt liegt, musste Sanders zugeben, dass er sich noch unsicher ist über spezifische rechtliche Schritte und was per Gesetz möglich ist.

Stattdessen versuchte er zu erklären, warum die Zerschlagung der Großbanken nötig sei. Eine Handvoll Banken hielten ein Vermögen, das mehr als der Hälfte des US-amerikanischen Bruttoinlandprodukts entspreche, sagte Sanders. Dieses Missverhältnis darf in seinen Augen nicht länger bestehen. Doch dann fasste sich Sanders wieder und verdeutlichte, wie er die Beschneidung der Großbanken-Macht möglich machen will, ganz einfach: mit einem neuen Gesetz oder den Verwaltungskompetenzen, die der sogenannte Dodd-Frank Act gibt, der 2010 zur Reform der Wall Street verabschiedet wurde. ( Das komplette Interview Sanders' mit der New York Daily News lesen sie hier.)

Mit dem Vorhaben, etwas gegen die Macht der Wall Street tun zu wollen, sammelte Sanders Stimmen bei den Vorwahlen. Gerade junge Menschen und Arbeitende lieben und feiern ihn für seine linken Töne. Obwohl Sanders die Frage des Reporters letztendlich beantwortete, freuen sich nun seine Kritiker über diese in Bild, Ton und Schrift festgehaltene Panne - einschließlich Hillary Clinton.

Clinton hat zurzeit die Nase vorn im Rennen um die demokratische Kandidatur für die Präsidentenwahl im November. Laut Washington Post hat Clinton diesen Aha-Moment für Sanders lange herbeigesehnt. Endlich mussten sich die Luftschlösser, die Sanders in Clintons Augen gebaut hat, einer statischen Untersuchung unterziehen, der sie nicht standhielten.

Am Dienstagabend versuchte daraufhin ein Sprecher Sanders', die Kritiker zu beruhigen. Er erklärte, dass die Wahl von Sanders zum Präsidenten auf jeden Fall eine deutliche Nachricht an diejenigen senden würde, die die Finanzwelt regulieren. Dass sie alles in ihrer Macht stehende tun müssten, um die Banken aufzubrechen. Auf dass diese das finanzielle Wohlergehen des amerikanischen Volkes nicht mehr bedrohten.

Immerhin: Unmittelbar geschadet hat die Interview-Panne Sanders nicht. Bei den Vorwahlen in Wisconsin am Dienstag gewann er klar. Sanders holte 56,5 Prozent aller Stimmen, seine Konkurrentin Clinton nur 43,2 Prozent.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels kamen Sanders' Verweis auf den Dodd-Frank Act und sein Vorschlag für ein neues Gesetz nicht vor. Wir haben den Text entsprechend aktualisiert und ergänzt.

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