Internationales Engagement in Afghanistan:Gekommen, um zu bleiben

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Gegenüber der kriegsmüden Öffentlichkeit reden Politiker lieber von den guten Chancen auf einen geordneten Abzug, wissen aber: Afghanistan braucht auch nach 2014 noch Militärhilfe des Westens. Das schließt Risiken ein, die derzeit ausgeblendet werden.

Peter Blechschmidt

Ende 2014 sollen alle westlichen Kampftruppen, auch die Bundeswehr, aus Afghanistan abgezogen sein. So versprechen es deutsche Politiker einer kriegsmüden Öffentlichkeit. Dann wird also alles gut sein in Afghanistan? Mitnichten. Auch die Politiker wissen, dass über 2014 hinaus Kampftruppen nötig sein werden, um die weitere Unterstützung abzusichern, die der Westen den Afghanen zugesagt hat. Dies schließt das Risiko ein, dass westliche Truppen auch in Zukunft in Kämpfe mit regierungsfeindlichen Kräften verwickelt werden können.

Ein Isaf-Soldat der Bundeswehr in Afghanistan: Das Land wird auch nach 2014 noch militärische Hilfe benötigen. (Foto: dapd)

Für Militärs ist das eine Selbstverständlichkeit. In der öffentlichen Wahrnehmung aber spielt diese Tatsache praktisch keine Rolle. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, hat soeben eher beiläufig darauf aufmerksam gemacht. In einem Vortrag in Berlin am Dienstagabend wies Wieker darauf hin, dass ein weiteres Engagement der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan außer durch die Zustimmung der afghanischen Regierung auch durch ein Mandat des UN-Sicherheitsrats legitimiert sein müsse. Und dieses Mandat, so Wieker, werde voraussichtlich nach Kapitel VII der UN-Charta abgefasst sein. Diese Vorschrift erlaubt die Anwendung militärischer Gewalt, wenn der Sicherheitsrat den Weltfrieden oder die internationale Sicherheit bedroht sieht.

Zwar hat die Nato schon vor zwei Jahren in Lissabon beschlossen, dass die unter dem Kürzel Isaf firmierende Internationale Unterstützungstruppe Ende 2014 ihre Operationen einstellen soll. Aber wie es danach weitergehen soll, ist unklar. Die Post-Isaf-Mission werde eine Unterstützungs- und Ausbildungsmission sein, sagte Wieker. Doch welches Land mit welchen Kräften welche Aufgaben übernehmen wird, soll sich frühestens im Laufe des nächsten Jahres herauskristallisieren. Die Nato wartet wieder einmal auf die Entscheidungen ihrer Vormacht USA. Damit ist jedoch erst nach dem Amtsantritt des nächsten Präsidenten Anfang 2013 zu rechnen.

Fest steht, dass jede Art von Unterstützung militärisch abgesichert werden wird. Ausbilder und Berater müssen vor Angriffen geschützt werden. Dafür ist eine Infrastruktur mit Kämpfern, Sanitätern und Versorgern nötig. Nato-Offiziere loben hartnäckig die Fortschritte in der Einsatzfähigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte. Das ändert nichts daran, dass die Afghanen weit über 2014 hinaus auf westliche Luftunterstützung, auf Artillerie und Aufklärungssysteme angewiesen sein werden.

Davon abgesehen ist das Spektrum der Risiken groß. Die Gefahr eines Bürgerkriegs ist keineswegs gebannt. Provinzfürsten und Drogenbarone könnten wieder gegen eine Zentralregierung und gegeneinander zu Felde ziehen. Viele Afghanen, die bisher mit dem Westen zusammenarbeiten, fürchten die Rache der Extremisten. In der Nato richtet man sich darauf ein, mit sogenannten Spezialkräften - also den ganz harten Jungs - gegen solche Bedrohungen vorzugehen. All dies wird ausgeblendet, wenn Politiker von den guten Chancen auf einen geordneten Abzug aus Afghanistan sprechen. Insofern war die Bemerkung des Generalinspekteurs ein kleiner Beitrag zu mehr Ehrlichkeit.

© SZ vom 27.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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