Internationale Konferenz in Kabul:Raus aus Afghanistan

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Die Afghanistan-Konferenz hat begonnen. Die Strategie des Westens: werben um die Taliban, werben um die Afghanen. Nach neun langen Jahren wird der Rückzug vom Hindukusch vorbereitet. Afghanistan will ab 2014 selbst für sich sorgen.

Daniel Brössler und Tobias Matern

Reisen deutscher Politiker nach Afghanistan sind, jedenfalls bis zur Landung, eine streng vertrauliche Sache. Aus Sicherheitsgründen soll möglichst wenig bekannt werden über Routen und Zeitpläne. Diesmal aber ist alles anders: Über seine bevorstehende Dienstreise zur Kabuler Konferenz informierte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) zunächst per Regierungserklärung und wenige Stunden vor Abflug auch noch einmal während einer eigens einberufenen Pressekonferenz.

Höchste Alarmstufe: Um die Afghanistan-Konferenz zu sichern, sind etwa 13.000 afghanische Sicherheitskräfte in Kabul im Einsatz. (Foto: afp)

Das Treffen an diesem Dienstag werde "eine sehr wichtige Wegmarke auf dem Weg zur Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanische Regierung", versprach der Minister. Wie 40 andere Außenminister wird Westerwelle auf der Konferenz ein auf fünf Minuten ausgelegtes Statement vortragen. "Natürlich wissen wir, dass wir keine europäischen Verhältnisse in Afghanistan schaffen", sagte Westerwelle. Ziel sei ein Land, das selbst für seine Sicherheit sorge, von dem keine Terrorgefahr ausgehe und in dem Menschenrechte geachtet würden.

50 Millionen Euro, um Taliban-Aussteiger einzugliedern

Nicht anders als die afghanische Regierung sehnt sich auch der Westen nach einem Konferenzerfolg. Deutschland bildet hier keine Ausnahme. Die Bevölkerung, die den Einsatz mehrheitlich ablehnt, soll mit einer "Abzugsperspektive" milde gestimmt werden, die Kabuler Konferenz dieser Perspektive Konturen und Glaubwürdigkeit verleihen. Die afghanische Regierung hat im Vorfeld des Treffens bereits einen Zeitrahmen von vier Jahren genannt, bis die Sicherheit im Land von afghanischen Soldaten und Polizisten gewährleistet werden soll.

Westerwelle wird vermutlich auf ein Thema zu sprechen kommen, dessen Charme er schon vor der Londoner Konferenz zu Beginn des Jahres entdeckt hatte: das Wiedereingliederungsprogramm für reuige Taliban. 50 Millionen Euro will Deutschland dafür bereitstellen, zehn Millionen pro Jahr. Ansonsten aber wird die deutsche Delegation im afghanischen Außenministerium möglichst wenig über Geld sprechen. Es gehe nicht um eine neuerliche Geber-Konferenz, betont Westerwelles Afghanistan-Beauftragter Michael Steiner. Ergebnis könne nur sein, bereits zugesagte Mittel neuen Programmen zuzuordnen. Das überwölbende Motto benennt Steiner auf Latein: quid pro quo - dies für das. Cash sollen die Afghanen nur noch gegen Erfolg und erfolgversprechende Konzepte kriegen.

Das alles soll helfen, ein Kommunikationsproblem der Bundesregierung zu mildern. Seit neun Jahren ist die Bundeswehr in Afghanistan stationiert; sieben deutsche Soldaten haben allein im vergangenen halben Jahr den Einsatz mit ihrem Leben bezahlt. Mehr als eine Milliarde Euro hat Berlin seit 2001 für den Aufbau in Afghanistan bereitgestellt. Nun aber muss die Regierung einräumen, dass die westliche Gemeinschaft am Hindukusch so gut wie gescheitert ist. Deutsche Soldaten kämpfen in Afghanistan vor allem für einen verantwortbaren Abgang - was es nicht leichter macht, in der Heimat die Opfer zu erklären.

Umso dringender benötigt wird ein positives Zeichen aus Kabul. "Es ist die erste Konferenz in Afghanistan über Afghanistan und von Afghanistan organisiert", schwärmt Steiner. Die afghanische Regierung spricht schon vorab von einem "historischen" Treffen und tritt mit großem Selbstbewusstsein auf.

Die Zeiten, in denen ausländische Diplomaten oder Kommandeure auf den Tisch hauen konnten und im Befehlston die Richtung vorgeben wollten, seien vorbei, sagt der nationale Sicherheitsberater Afghanistans, Rangin Dadfar Spanta. Die Regierung in Kabul will auf konkretere Zusagen für einen Plan dringen, der bereits in London diskutiert wurde. Zwar sei man noch immer "bis auf die Knochen" auf ausländisches Geld angewiesen, wie Spanta sagt, aber die Führung in Kabul will mehr von den ausländischen Hilfsmitteln selbst verwalten. Bislang fließen nur 20 Prozent des ausländischen Geldes direkt an die Regierung - ein Versuch, die Korruption niedrig zu halten. Die Führung in Kabul will in den kommenden Jahren die Hälfte des Geldes selbst erhalten - sie weist den Vorwurf des Westens zurück, dass sie allein für die Korruption verantwortlich sei.

"Eine Konferenz? Was soll das bringen?"

Finanzminister Omar Zakhilwal fordert zudem, dass nachhaltigere Programme auf den Weg gebracht werden müssten. Das mehrere Milliarden Dollar teure Anti-Drogen-Programm, das die USA finanzierten, habe beispielsweise "rein gar nichts bewirkt". Aber nicht die Konferenz selbst, die Zeit danach sei entscheidend, die internationale Geber-Gemeinschaft werde dann "jedes Recht haben, uns zu kritisieren, wenn wir nicht liefern". Aber auch er sieht seine Regierung auf Augenhöhe mit dem Westen: Man werde nun auch den Westen intensiver an seine Zusagen erinnern.

Die Konferenz werde zeigen, dass die "Afghanen ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen", sagt Steiner. Zu hohe Erwartungen wollen die Deutschen aber auch wieder nicht wecken, das damit verbundene Risiko ist ihnen bewusst. Für die Menschen in Kabul hat das Treffen, für das mehr als 13.000 Sicherheitskräften im Einsatz sein werden, kaum einen Wert. Ein Gemüsehändler an einer Straßenecke erwidert auf die Frage, was er von dem anstehenden Treffen halte: "Eine Konferenz? Schon wieder? Was soll das bringen?" So oder ähnlich reden viele Afghanen jenseits der Ministerien. Auch unabhängige Beobachter erwarten nicht viel von der mit großer Fanfare angekündigten Veranstaltung. Die afghanische Regierung und der Westen wollten damit beweisen, "dass es irgendwie besser wird", sagt eine Expertin in Kabul, auch wenn von dem Treffen nichts viel Konkretes zu erwarten sei, das die Lage der Menschen verbessert.

© SZ vom 20.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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