Indien:Ruf nach der Todesstrafe

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Vor drei Jahren schockte das Verbrechen die Welt: Sechs Männer vergewaltigten eine junge Frau, die später an ihren schweren Verletzungen starb. Der jüngste der Täter soll nun bald aus dem Gefängnis freikommen. Viele Inder wollen das verhindern.

Von Arne Perras, Singapur

Ein schreckliches Verbrechen in Delhi schockierte vor genau drei Jahren die Welt: Eine junge Inderin wurde in der Nacht des 16. Dezember 2012 von sechs Männern in einem Bus vergewaltigt, die Täter folterten sie so schwer, dass sie zwei Wochen später im Krankenhaus starb. Um den Fall war es zuletzt recht ruhig geworden. Doch das ändert sich gerade. Zorn und Entsetzen kommen wieder hoch, seitdem indische Medien berichten, dass der jüngste der damals gefassten Täter in wenigen Tagen aus einer Jugendbesserungsanstalt entlassen werden soll.

Viele Inder empfinden das als Farce und eine Verhöhnung des Opfers. Wie schon direkt nach der Tat werden erneut Rufe laut, dass auch der jüngste Täter nicht weniger als den Tod verdiene und hängen müsse. Die Justiz hatte sich bei der Aufarbeitung des Verbrechens auf Dokumente gestützt, wonach der jüngste Angeklagte zur Tatzeit erst 17 Jahre alt war - und damit noch nicht volljährig. Das führte zu einem völlig anderen Verfahren als bei den älteren Männern. Einen der fünf angeklagten Erwachsenen fand man im September 2013 erhängt in seiner Zelle auf, die vier anderen wurden später zum Tode verurteilt. Die Strafen sind noch nicht vollstreckt. Für den Jüngsten allerdings verhängte eine Jugendkammer 2013 die zugelassene Höchststrafe für Minderjährige: drei Jahre in einer Besserungsanstalt. Weil die Untersuchungshaft angerechnet wurde, steht der inzwischen 20-Jährige jetzt kurz vor der Entlassung.

Oder vielleicht doch nicht? Die Eltern des Opfers haben eine Petition an die indische Menschenrechtskommission geschickt, um dies noch zu verhindern. Und ein Politiker der nationalen Regierungspartei BJP versucht, gerichtlich einen Aufschub zu erwirken, bis bewiesen sei, dass der Mann keine Gefahr mehr für die Gesellschaft bedeute. Gleichzeitig müssen sich die Behörden Gedanken machen, wie sie den Täter von 2012 vor einer wütenden Öffentlichkeit und dem Risiko eines Lynch-Mordes schützen würden, sobald er wieder in Freiheit ist. Es gibt Pläne, ihn einer privaten Organisation zu übergeben, wo er eine Chance auf Rehabilitierung bekommen soll.

Von einem Betreuer der vergangenen Jahre war zu hören, dass der Täter angeblich Reue zeige. Doch selbst wenn das so ist, weiß niemand, wie einer der meistgehassten Menschen Indiens jemals wieder einen Weg in die Gesellschaft zurückfinden könnte.

© SZ vom 16.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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