Indien:Gift und Gegengift

Narendra Modis Lager hat sich im Machtkampf um Delhi verrechnet.

Von Arne Perras

Selbst ältere Inder erinnern sich nicht, dass es je so viel Hass in einem Wahlkampf gab wie im Rennen um die Macht in der Hauptstadt Delhi. Hemmungslos attackierten Minister und Mitglieder der hindu-nationalistischen Partei die muslimische Minderheit, schmähten Gegner des Premiers als Verräter der Nation, riefen sogar dazu auf, sie zu erschießen. Der Verfall der politischen Kultur hat ein bedrohliches Maß in Indien erreicht, das Gift sickert ein in die Gesellschaft, seine zersetzende Kraft wird lange nachwirken.

Narendra Modi und seine Partei tragen dafür Verantwortung. Gleichzeitig aber lässt das Ergebnis der Regionalwahl auch hoffen: Hetze führt eben nicht zwingend zum Wahltriumph. Eine Mehrheit ließ sich von dem bösartigen Versuch, Hindus gegen Muslime auszuspielen, nicht verführen. Modis Lager hat sich, zumindest im Machtkampf um Delhi, verrechnet.

Die Leute stützten jenen Mann, der es verstand, sich nicht in ideologische Grabenkämpfe hineinziehen zu lassen. Arvind Kejriwal hat gesiegt, weil er sich glaubhaft dafür einsetzt, den harten Alltag der Armen zu mildern. Gut möglich, dass dieser Mann bald zur neuen Sehnsuchtsfigur wird, dass hier ein veritabler Gegner für den Premier heranwächst, ein Herausforderer, wie ihn Modi bislang nicht fürchten musste.

© SZ vom 12.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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