Indien:Eine Mauer für den großen Gast

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Überlebensgroße Freunde: Ahmedabad bereitet sich auf den Besuch von Trump bei Premier Modi vor. (Foto: Adnan Abidi/Reuters)

Indien und die USA haben ihre Differenzen. Doch Modi will Trumps Besuch nutzen.

Von Arne Perras, Singapur

Vielleicht ist sie nicht so mächtig, wie sie dem US-Präsidenten vorschwebte. Sie steht auch nicht an der Grenze zu Mexiko. Dafür brauchte der Bau nicht so lange: Frauen schleppten Sand heran, Männer rührten Mörtel und setzten Ziegel, wie in Videos zu sehen war. Nur ein paar Wochen, schon war die Mauer fertig. Sie schirmt einen Slum in der indischen Stadt Ahmedabad von der Straße ab, rechtzeitig zum Besuch von Donald Trump.

Der US-Präsident bekommt endlich seine geliebte Mauer. So witzelten mache, aber andere wurden auch wütend, als sie von dem Bauwerk hörten, die bizarre Begebenheit eilt Trump nun schon einige Tage voraus. Am Montag und Dienstag kommt der US-Präsident nach Indien, doch vorher sah sich noch der Verwaltungschef von Ahmedabad genötigt, vor die Kameras zu treten. Ach ja, die Mauer. Sie sei schon vor zwei Monaten geplant gewesen und solle verhindern, dass sich der Slum ausbreite. Bedauerlicherweise würde das Bauwerk nun mit dem Besuch von Trump in Verbindung gebracht, sagte Vijay Nehra, was gar nicht zutreffe. Sie diene allein der Sicherheit und der Verschönerung.

"Weshalb verstecken sie uns arme Leute?", fragte ein Slumbewohner, aber die Klage bremste die Vorbereitungen nicht: Premierminister Narendra Modi ist entschlossen, ein Spektakel für seinen Gast aufzubieten und dabei ihre Männerfreundschaft hochleben zu lassen, die etwas Kumpelhaftes hat. Als Modi 2019 die USA besuchte, marschierte er Hand in Hand mit Trump vor der indischen Diaspora in Houston auf. Wähler, die Trump gut brauchen kann.

Der US-Präsident kommt in einer Zeit nach Indien, in der Modis Partei Gegenwind verspürt. Die Hindu-Nationalisten verlieren regionale Wahlen, ihre Ideologen steigern sich in Hassbotschaften, die Minderheiten ängstigen, das schürt Proteste. Niemand rechnet damit, dass Trump den Finger in solche Wunden legen und Modi wegen wachsender Demokratiedefizite kritisieren wird. Vielmehr dürfte Modi darauf hoffen, dass Washington Lob an den strategischen Partner verteilt, was auch ablenken würde von der Wirtschaftsmisere, die Indien niederdrückt. Trump beeindruckt viele Inder, nicht nur im rechten Lager, sondern auch in nationalistisch eingestellten Kreisen in der Mitte der Gesellschaft.

Modi und Trump haben ähnliche politische Instinkte, sie scheuen sich nicht, in ihren Ländern zu polarisieren, wenn das dem Machterhalt dient. Im nationalistischen Populismus liegen allerdings auch Fallstricke für die Beziehungen, es gibt Probleme, die Indien und die USA im Vorfeld nicht ausräumen konnten. In wichtigen Handelsfragen kommen sich beide nicht näher, protektionistische Reflexe stehen im Weg. Ein Abkommen könne es schon geben, erklärte Trump in dieser Woche. "Aber ich hebe mir den großen Deal wirklich für später auf".

Washington sieht auch Indiens anhaltende Vorliebe für russische Waffen skeptisch, vor allem einen Fünf-Milliarden-Deal über Luftabwehrraketen aus dem Jahr 2018. Allerdings hat sich das Volumen von Rüstungsdeals zwischen Indien und den USA bereits stark vergrößert, es lag 2019 bei etwa 15 Milliarden Dollar. Und Indien will weitere Hubschrauber kaufen.

Das strategische Interesse, das beide Länder verbindet, ist die Absicht, China einzudämmen. Während des Besuchs werden sie deshalb versuchen, Bilder zu produzieren, die eine problemlose Partnerschaft suggerieren. Bei einer Roadshow in Ahmedabad soll sich Trump von den Massen am Straßenrand beklatschen lassen und das größte Cricket-Stadion der Welt eröffnen. Dann geht es zum Taj Mahal in Agra, wo sich Trumps Bodyguards womöglich mit frechen Affenhorden messen müssen, die gerne Besucher terrorisieren. Am Dienstag folgen Empfänge in Delhi, bevor Trump nach Washington zurückfliegt.

Ein Termin ist im Protokoll natürlich unverzichtbar: der Ashram von Mahatma Gandhi in Ahmedabad. Trump wird ein Spinnrad als Geschenk entgegennehmen. Gandhi ist Indiens Weltmarke, mit der sich jeder gerne schmückt. Egal, wie viele Welten zwischen dem Gast und dem Asketen liegen mögen.

© SZ vom 24.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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