Indien:Bereit, das Erbe anzutreten

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Als „Kronprinz“ wurde er in Indien schon lange gehandelt: Rahul Gandhi will die Kongresspartei in die nächste Wahl führen. (Foto: Manish Swarup/AP)

Rahul Gandhi will Vorsitzender der mächtigen Kongresspartei werden. So, wie es seine Mutter, sein Vater, seine Großmutter und sein Urgroßvater waren. Dass er politisches Geschick hat, muss er aber erst noch beweisen.

Von Tobias Matern, München

In einer Frage ist sich ganz Indien einig - eines Tages wird dieser Mann Premierminister sein und das bald bevölkerungsmäßig größte Land der Erde regieren: Rahul Gandhi ist nicht verwandt mit Mahatma Gandhi, dem Gründervater der Nation. Aber er ist Mitglied der einflussreichsten Familiendynastie Indiens, die seit Jahrzehnten die Politik des Landes dominiert. Lange hat Rahul gezaudert, ob er die ihm zugedachte Rolle annehmen will, bis er vor fünf Jahren zum Co-Vorsitzenden seiner Partei aufstieg. Am Montag hat sich der 47-Jährige nun öffentlich erklärt, er will seine Mutter an der Spitze der Kongresspartei beerben. Und das bedeutet: Er ist bereit für die Macht. Ein Gandhi begnügt sich nicht mit der Rolle des Oppositionsführers.

Mitte Dezember wählt die Partei ihren neuen Chef. Auch andere Kandidaten könnten sich theoretisch zur Wahl stellen, aber dass der Vorsitz auf Rahul hinausläuft, bezweifelt niemand. Nicht nur Rahuls Mutter, die nach 19 Jahren als Vorsitzende wegen gesundheitlicher Probleme den Posten aufgibt, auch sein Vater, seine Großmutter und sein Urgroßvater haben die Kongresspartei geführt. Bis auf seine Mutter Sonia waren sie alle auch indische Premierminister. Die Gandhis haben für die Macht auch einen hohen Preis bezahlt: Sowohl Rahuls Großmutter Indira, als auch sein Vater Rajiv wurden ermordet.

Seine Eltern, seine Großmutter, und sein Urgroßvater führten die Partei schon

Als "Kronprinz" galt Rahul schon immer, den Namen trägt er in der Öffentlichkeit seit Jahren. Lange Zeit wollte er mit Politik eigentlich nichts zu tun haben, er hätte sich auch in einem angenehmen Leben jenseits der indischen Politik einrichten können. Rahul hat unter anderem in den USA an der Harvard-Universität studiert, für eine Unternehmensberatung in London und eine IT-Firma in Mumbai gearbeitet. Doch schließlich entschied er sich, die Rolle des Clanchefs zu übernehmen.

Zwar erleben die Gandhis eine entbehrungsreiche Phase in der Opposition, seitdem der Hindu-Nationalist Narendra Modi der Kongresspartei 2014 eine krachende Niederlage bei den Wahlen zugefügt hat und Indien seitdem einen Reformkurs verpasst. Aber mit dem Aufrücken Rahuls auf den Chefposten will sich die Partei neues Selbstbewusstsein einhauchen. Allerdings muss der Mann mit dem prominenten Namen seine politischen Fähigkeiten erst noch unter Beweis stellen und Wahlen gewinnen. Daran haperte es bislang bei ihm.

Obwohl Premierminister Modi noch nicht alle Versprechen erfüllt hat, sind die meisten Inder, vor allem die aufstrebende Mittelschicht, mit seiner Amtsführung zufrieden. Wie ernst der Regierungschef seinen in Zukunft wichtigsten politischen Rivalen nimmt, machte aber bereits seine erste Reaktion deutlich: Modi verglich Rahuls Ambitionen auf den Parteivorsitz mit dem dynastischen Gehabe im 17. Jahrhundert - in Anspielung auf die mangelhaften demokratischen Strukturen in der Kongresspartei. Tatsächlich wird diese straff geführt - und die Gandhis haben immer die entscheidende Rolle inne. Diese Clan-Struktur ist zentraler Bestandteil indischer Politik.

Wie viel Nachsicht die Partei mit den Gandhis übt, zeigt sich auch daran, dass sie Rahul offenbar vergibt, dass er für die Kampagne verantwortlich war, die in die desaströse Niederlage gegen Modi im Jahr 2014 mündete. Auch ist die Kongresspartei nach einer Serie von Wahlniederlagen nur noch in sechs der 29 indischen Bundesstaaten an der Macht. Nachhaltig geschadet hat das Rahul Gandhi aber nicht. Er wird nun aller Voraussicht nach bei den nächsten landesweiten Wahlen im Jahr 2019 als Spitzenkandidat gegen den Premierminister antreten. Bis dahin braucht er allerdings noch ein markantes Profil, um seiner Partei Siegchancen zu eröffnen. Bislang konzentrierte Rahul sich vor allem darauf, die Strukturen innerhalb der Kongresspartei zu reformieren.

Ein wichtiger Stimmungstest im Duell Modi : Gandhi steht jetzt schon unmittelbar bevor: Noch in diesem Monat wird in Gujarat gewählt, Modis Heimatstaat. Die Kongresspartei macht es ihrem baldigen Chef allerdings einfach - und senkt die öffentlichen Erwartungen. Mit einem Sieg in Gujarat rechnet niemand. Rahul solle nur, so sagen es Parteimitglieder, die Niederlage im Rahmen halten.

© SZ vom 05.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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