IG Metall:Gut gelaunt

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Die Gewerkschaft sagt jetzt nur, was sie erreicht hat - und nicht, was nicht. So muss es sein. Die SPD sollte sich daran ein Beispiel nehmen: Mit schlechter Laune hat noch nie jemand die Leute begeistert. Und das Recht, die Arbeitszeit zu reduzieren, ist auch ohne Lohnausgleich wertvoll.

Von Detlef Esslinger

Eine Umkehr bei der Arbeitszeit! Den Widerstand der Arbeitgeber gebrochen! Mehr Geld und mehr Selbstbestimmung! Mit diesen Parolen feiert die IG Metall den Tarifabschluss, den sie nun den Arbeitgebern der Metall- und Elektroindustrie für deren 3,9 Millionen Beschäftigten abgerungen hat. Diese dürfen künftig ihre wöchentliche Arbeitszeit vorübergehend auf bis zu 28 Stunden reduzieren, sie bekommen 4,3 Prozent mehr Geld und noch diverse Einmalzahlungen. Hat die IG Metall sich also durchgesetzt in dieser Tarifauseinandersetzung, nach all ihren "Warnstreiks" und der Drohung mit unbefristetem Arbeitskampf?

Sie trägt ein bisschen dick auf, doch das ist nicht nur ihr gutes Recht, sondern beinahe ihre Pflicht. Sie hat zwar die Arbeitszeitreduzierung durchgesetzt, die ihr mindestens so wichtig war wie eine Lohnerhöhung, nicht jedoch den Zuschuss, mit dem die Arbeitgeber diese Verkürzung auch noch subventionieren sollten. Stattdessen müssen die Arbeitnehmer entscheiden, was ihnen wichtiger ist: mehr Geld oder mehr Freizeit. Diese Regelung hat eine innere Logik. Man kann nicht beides haben, wie die Gewerkschaft es sich vorstellte. Wohl aber eines davon.

Die nächsten zwei Jahre werden interessant: Wie viele Arbeitnehmer werden von dem neuen Recht Gebrauch machen? In die Tarifrunde war die IG Metall unter Berufung auf ihre Beschäftigtenbefragung vor einem Jahr gezogen. Darin hatten acht von zehn Befragten der Aussage zugestimmt, es "wäre gut", vorübergehend die Arbeitszeit senken zu können. "Wäre gut" ist eine Formulierung, mit der man normalerweise nicht das allerdringendste Bedürfnis im Leben ausdrückt, sondern etwas, das schön wäre, aber nicht absolut sein muss. Vor drei Jahren trotzte die IG Metall den Arbeitgebern eine "Bildungsteilzeit" ab, die sie damals zu einer für Arbeitnehmer existenziellen Frage erklärte. Seitdem ist das Ding in der Welt, wird aber von fast niemandem in Anspruch genommen. Nun folgt der Praxistest für die nächste Errungenschaft.

Dass es den Lohnausgleich für 28-Stunden-Arbeiter nicht geben wird, steht nun in keiner IG-Metall-Erklärung. Und dass sie ursprünglich sechs Prozent für zwölf Monate gefordert, aber nur 4,3 Prozent für 27 Monate (plus die Einmalzahlungen) bekommen hat, auch nicht. Muss auch keineswegs sein. Die Gewerkschaft tut das, was sie immer nach Tarifabschlüssen tut: Wissend, dass Forderungen das eine und Ergebnisse das andere sind, stellt sie heraus, was sie erreicht hat - anstatt zu beklagen, was sie alles nicht erreicht hat.

Die Gewerkschaft sagt jetzt nur, was sie erreicht hat - und nicht, was nicht. So muss es sein

In diesem Punkt unterscheiden sich fast alle Gewerkschaften von jener Partei, der so viele ihrer Funktionäre angehören oder zumindest nahestehen. Die SPD-Mentalität, immer nur eine hundertprozentige Durchsetzung aller Forderungen als halbwegs akzeptabel zu betrachten, alles andere aber als Schwäche oder Verrat der eigenen Werte - und sich dann zu wundern, dass einem die Klientel davonläuft: Diese Mentalität ist Gewerkschaftern sehr, sehr fremd. Die von der IG Metall haben ja jetzt wieder Zeit; vielleicht biegen sie in den kommenden Wochen noch dem ein oder anderen Genossen bei, dass mit schlechter Laune noch nie jemand die Leute begeistert hat. In der Diktion der Gewerkschaft: Wäre gut.

© SZ vom 07.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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