Hongkong:Polizei setzt Tränengas gegen Demonstranten ein

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  • In Hongkong belagern Tausende Demonstranten den Legislativrat.
  • Sie protestieren gegen ein geplantes Gesetz für Auslieferungen nach China, über das im Parlament beraten werden sollte.
  • Die Sitzung wurde verschoben, dennoch soll kommende Woche über das Gesetz abgestimmt werden.
  • Medienberichten zufolge sollen die Protestierer versucht haben, das Parlament zu stürmen. Die Polizei soll daraufhin Tränengas eingesetzt haben.

Bei den Protesten in Hongkong gegen das umstrittene Auslieferungsgesetz ist es zu Ausschreitungen gekommen. Polizisten gingen Augenzeugen zufolge mit Tränengas und Pfefferspray gegen Demonstranten in der Nähe von Regierungsgebäuden vor und versuchten sie auseinanderzutreiben.

Das Gesetz soll Auslieferungen von Beschuldigten auch an China ermöglichen. Wegen der Blockade des Parlaments musste die zweite Lesung des Gesetzentwurfs auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben werden. Eigentlich wollte Regierungschefin Carrie Lam das Gesetz bereits nächste Woche Donnerstag endgültig durch die Peking-treue Mehrheit im Legislativrat in dritter Lesung billigen lassen.

Hongkong
:Der Protest in Bildern

Die Straßen der Metropole sind voll. Tausende sammeln sich vor dem Parlament. Die Polizei hält mit einem Großaufgebot dagegen.

Die Hongkonger Polizei mobilisierte ein Großaufgebot. Die Demonstranten besetzten die Straßen um den Gebäudekomplex, beseitigten Absperrgitterund und versuchten, den Amtssitz sowie die Büros des Legislativrats zu stürmen. Die Gegner des Gesetzes warfen Flaschen und andere Gegenstände in Richtung der Polizisten. Es kam zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Demonstranten, wie Fernsehübertragungen zeigten.

Auf Facebook verurteilte die Regierungschefin die Demonstrationen. "Es ist nichts, was man tut, wenn man Hongkong liebt", sagte Lam in einem Video, die Proteste seien "eindeutig organisiert" gewesen.

Die Regierungschefin argumentiert, das Auslieferungsgesetz sei notwendig, um "Schlupflöcher" zu schließen. Es ermögliche Überstellungen mutmaßlicher Straftäter an China und andere Länder, mit denen Hongkong bisher kein Auslieferungsabkommen hat. Das Gesetz verhindere, dass Hongkong zum Zufluchtsort für Flüchtige werde. Die Führung habe die Bedenken aus dem Privatsektor aber berücksichtigt und den Entwurf um Maßnahmen zum Schutz der Menschenrechte ergänzt.

Bereits am Wochenende hatten nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen Hunderttausenden bis zu einer Million Hongkonger gegen das Gesetz protestiert. Beobachter sprachen von der größten Demonstration seit mehr als zehn Jahren. Danach war es in der Nacht zu Ausschreitungen gekommen.

Das kontroverse Gesetz würde Hongkongs Behörden erlauben, auf Ersuchen chinesischer Stellen verdächtige Personen an die kommunistische Volksrepublik auszuliefern. Kritiker argumentieren aber, dass Chinas Justizsystem nicht unabhängig sei, nicht internationalen Standards entspreche und Andersdenkende politisch verfolge. Auch drohten Folter und Misshandlungen. Es wurde als "Werkzeug der Einschüchterung" in Hongkong beschrieben.

Hongkong ist eine halbautonome Sonderverwaltungszone. Die frühere britische Kronkolonie wird seit der Rückgabe 1997 an China nach dem Grundsatz "ein Land, zwei Systeme" als eigenes Territorium regiert. Die Hongkonger genießen größere Freiheiten als die Menschen in der Volksrepublik, darunter das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie Presse- und Versammlungsfreiheit. Seit den prodemokratischen Protesten 2014, die Teile der Stadt wochenlang lahmlegten, zieht Peking aber die Zügel enger.

Die Szenen bei den Ausschreitungen in der Nacht zum Montag und die Straßenblockaden am Mittwoch erinnerten an die "Regenschirm"-Bewegung für mehr Demokratie vor fünf Jahren. Sie erhielt ihren Namen von den Regenschirmen gegen die Sonne und das Pfefferspray der Polizisten. Auch auf aktuellen Bildern aus Hongkong waren Regenschirme zu sehen.

Rund 1000 Geschäfte kündigten an, aus Protest geschlossen zu bleiben. Die Hongkonger Vereinigung der Gewerkschaften ermutigte ihre Mitglieder zu Streiks.

© SZ.de/dpa/ap/bix/zmz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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