Hongkong:Gewählt und ausgeladen

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Der chinakritische Abgeordnete Sixtus Baggio Leung wird von Sicherheitskräften aus dem Parlament von Hongkong abgeführt. (Foto: Anthony Wallace/AFP)

Hongkong verweigert zwei chinakritischen Abgeordneten den Zutritt zum Parlament. Von Pekings Zeitungen werden die jungen Männer als "verrückte Clowns" verunglimpft.

Von Kai Strittmatter, Peking

Das Chaos um die Vereidigung zweier neu gewählter junger Abgeordneter droht Hongkong in eine große Krise zu stürzen. Am Mittwoch kam es zu tumultartigen Szenen im Legislativrat. Die beiden Abgeordneten Sixtus Baggio Leung und Yau Wai-ching, beide chinakritische Aktivisten der "Youngspiration"-Bewegung, hatten versucht, eine Sitzung des Parlamentes zu stürmen. Ihnen ist der Zutritt zum Parlament jedoch verwehrt, seit sie bei der Vereidigungszeremonie Mitte Oktober den Eid auf die Volksrepublik China verweigert hatten. An diesem Donnerstag soll eine Überprüfung durch Hongkongs Obersten Gerichtshof über die Zukunft der beiden Abgeordneten entscheiden.

Alarmiert reagierte das demokratische Lager der Stadt, aber auch Juristen, als mehrere Hongkonger Medien am Mittwoch meldeten, China wolle sich einmischen in den Streit. Den Berichten zufolge will der Nationale Volkskongress in Peking am Donnerstag den Fall beraten und sich mit einer für Hongkong verbindlichen Interpretation des Hongkonger Basic Law, des Grundgesetzes der Stadt, zu Worte melden. Für viele Hongkonger wäre das ein gravierender Eingriff in die versprochene Autonomie der Stadt. Ein solcher Schritt zum jetzigen Zeitpunkt, da Hongkongs Gerichte sich noch mit dem Fall befassen, wäre "ein schwerer Schlag gegen die Unabhängigkeit der Justiz" in Hongkong, warnte die Hongkonger Rechtsanwaltskammer am Mittwoch. Peking würde damit auch "das Vertrauen der Hongkonger Bürger in den hohen Grad an Autonomie" der Stadt "ernsthaft torpedieren".

Gerade unter Hongkongs Jugend ist seit Jahren eine wachsende Unzufriedenheit zu beobachten über die wirtschaftliche Spaltung der Stadt und die zunehmenden Übergriffe Chinas auf die Freiheiten Hongkongs. Sichtbar wurde das Ausmaß des Frustes und des Zorns im Sommer 2014, als die Regenschirmbewegung Hunderttausende auf die Straße brachte. Bei den Wahlen im September nun wurden mehrere der jungen Aktivisten von damals ins Parlament gewählt, einige von ihnen sogar, wie die "Youngspiration"-Leute, Befürworter einer Unabhängigkeit Hongkongs von China.

Seit sich das frisch gewählte Parlament am 12. Oktober zur Vereidigungszeremonie traf, haben die beiden Youngspirations-Abgeordneten Sixtus Baggio Leung und Yau Wai-ching ihren Ruf als Enfants terribles Hongkongs weg: Sie sprachen ihre eigene Version des Eides, in der sie den Eid auf die "Nation Hongkong" ablegten, Schimpfwörter einflochten und das Wort "China" entstellten. Die Empörung bei vielen war groß, aber selbst Parlamentspräsident Andrew Leung wollte den neuen Abgeordneten eine zweite Chance geben: Am 19. Oktober, eine Woche später, sollten sie ein zweites Mal den Eid ablegen. Das verhinderten allerdings die pro-chinesischen Abgeordneten, die geschlossen die Sitzung verließen.

Gleichzeitig erklärte der unpopuläre, von China bestellte Regierungschef Leung Chun-ying, er werde das Oberste Gericht anrufen: Die beiden dürften ihren Platz im Parlament nicht einnehmen. Das hatte einen ersten Aufschrei von Kritikern zur Folge, die fanden, wenn der Regierungschef über das Parlament befehle, dann stelle er damit die Gewaltenteilung infrage. Am Dienstag dann - zwei Tage vor der Gerichtsverhandlung am Donnerstag - meldete sich Leung erneut zu Wort und schloss nicht aus, zusätzlich den Nationalen Volkskongress in Peking um eine Direktive anzurufen. Gegen den Rat seines eigenen Justizsekretärs Rimsky Yuen, der sagte, Hongkongs Jusitz sei voll in der Lage, die Sache selbst zu entscheiden. Eine offizielle Bestätigung dafür, ob der Nationale Volkskongress am Donnerstag nun wirklich dazu tagt, steht allerdings noch aus. Was die KP in Peking von den jungen Abgeordneten hält ist allerdings kein Geheimnis. Das Parteiblatt Volkszeitung nannte die beiden unter anderem "bösartige Tumore" und "verrückte Clowns", ihre Ideen seien eine "Zeitbombe" für Hongkong: "Die beiden sind nicht berechtigt, Abgeordnete zu sein", urteilte die Volkszeitung.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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