Himalaja:Der Gipfel

Indien und China wollen ihren Grenzkonflikt wieder deeskalieren. Doch das wäre zu schön, um wahr zu sein.

Von Stefan Kornelius

Eine militärische Auseinandersetzung haben Indien und China im letzten Augenblick abgewendet. Die Außenminister der Nuklearmächte vereinbarten im üblichen diplomatischen Vokabular Zurückhaltung im Himalaja-Grenzkonflikt, der zum ersten Mal seit Jahrzehnten in einen echten Schusswechsel eskaliert war. Die Deeskalationsnachricht ist indes zu gut, um wahr zu sein. Die Schüsse am Mukhpari-Gipfel markieren den Beginn einer Auseinandersetzung, die das Zeug hat, die Welt zu erschüttern.

Der Grenzkonflikt ist Teil einer Rivalität, die sich seit Monaten aufbaut. Die Regierung in Delhi erkennt, dass sie ihren Einfluss in der indo-pazifischen Region ausweiten kann, weil ihr sowohl die Unterstützung der USA sicher ist als auch das Wohlwollen der Nachbarn, die Allianzen im Schutz vor dem Druck Chinas suchen. Die Führung in Peking konzentriert sich indes längst auf die Problemregionen an der chinesischen Grenze, um ihren regionalen Führungsanspruch klarzumachen.

Darüber hinaus eskalieren die wirtschaftliche Rivalität und der Streit um digitalen Einfluss. Indien hat Duzende chinesischer Apps und Dienste verboten, die technologische Entflechtung zwischen China und den USA beginnt in Indien. Der Himalaja-Konflikt mag territorial unbedeutend erscheinen, ist aber symbolisch von hoher Bedeutung. 3400 Kilometer umstrittener Grenzverlauf, ein über Jahrzehnte eingeübtes Machtspiel - das kann nicht funktionieren in spannungsgeladenen Zeiten.

© SZ vom 12.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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