Hetze gegen Muslime:Futter für die Salafisten

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Islamhass - wie hier von rechtsradikalen Hooligans verbreitet - spielt Fundamentalisten in die Hände, mein SZ-Gastautorin Lamya Kaddor. (Foto: Getty Images)

Zu Recht berichten die Medien über die dunklen Seiten des Islams. Manche aber betreiben geistige Brandstiftung und tragen den Islamhass so weiter in die Mitte der Gesellschaft.

Von Lamya Kaddor

Um es vorweg zu nehmen: Ja, der Salafismus ist eine ernste Gefahr, über die wir reden müssen. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich selbst werde in diesen Tagen von Salafisten verketzert und bedroht. Mein Vergehen: Ich vertrete eine liberale, vernunftorientierte Auslegung islamischer Quellen. Ich schreibe als muslimische Autorin gegen Salafisten, Islamisten und Fundamentalisten. Ich führe Antiradikalisierungs-Projekte mit muslimischen Jugendlichen durch.

Warum ich das betone? Weil ich schon weiß, was auf das kommen wird, was ich jetzt schreibe: Wir dürfen über die Debatte zum islamischen Extremismus nicht die andere Seite der Extremisten aus den Augen verlieren, die Islamhasser, die gemeine Hetze gegenüber Muslimen. Diese blüht im Schatten der Diskussionen über den IS-Terror oder die "Scharia-Polizei" gerade wieder auf. Man kann das zum Beispiel am Magazin Focus zeigen, das vor zwei Wochen das Thema auf den Titel brachte.

Bildsprache wie nach 9/11

"Die dunkle Seite des Islam", hieß der Titel. Ja, diese dunkle Seite gibt es. Sprache und Bildsprache der Ausgabe aber verraten: Es geht nicht um die dunkle Seite - der ganze Islam ist dunkel, düster wie das Titelbild, wie die Aufmachung im Innern des Heftes. "Der" Islam ist ein Fremdkörper in der deutschen Gesellschaft. Die Bildsprache ist wie in den Jahren nach Nine eleven: Verschwörerisch beugen sich bärtige Männer hinunter zu Jungs, Frauenaugen schauen durch Schleierschlitze. Das also ist die Religion über die es "unbequeme Wahrheiten", so der Untertitel der Geschichte, ans Tageslicht zu bringen gilt.

Bezeichnend für die Berichterstattung, die ja nicht nur der Focus so betreibt, ist, dass wieder die alte Garde der sogenannten Islamkritiker zu Zeugen der Anklage wird, zum Beispiel die türkischstämmige Autorin Necla Kelek in ihrem Zorn auf den Islam und seine Gläubigen, oder neue Gewährsleute wie der türkischstämmige Fäkal-Sprachen-Autor Akif Pirincci. Weil sie ihre Wurzeln in der Türkei haben, sind sie gut zu gebrauchen: Wenn eine Redaktion "Ausländer" den Islam kritisieren lässt, dann kann man sie nicht als "ausländerfeindlich" brandmarken. Radikale Islamkritik ist in Ordnung in einer freien Gesellschaft, natürlich - doch das ist ungefähr so einseitig, als würde eine Redaktion nur die überzeugten Atheisten und zornige Kirchenkritiker zu Wort kommen lassen, um ihrem Publikum zu erklären, wie es ums Christentum, die Christen und ihre Kirchen steht.

Muslimische Extremisten bedrohen auch die Muslime selbst

In der Tat bieten Muslime in diesen Tagen eine große Angriffsfläche: die barbarischen Verbrechen der IS-Terroristen oder die Radikalisierung muslimischer Jugendlicher durch Salafisten, auch in Deutschland. Aber es wird immer so getan, als bedrohe "der Islam" "den Westen". Dabei wird außer Acht gelassen, dass die meisten Muslime ebenfalls bedroht werden durch diese muslimischen Extremisten.

Was soll die Mehrheit der Muslime also aus solchen Geschichten lernen? Dass wir jene Aufklärung brauchen, die uns schlecht informierte Journalisten oder Islamhasser bescheren? So etwas ist verantwortungslos. Es fördert die aufgeheizte Stimmung im Land, die ich bei beinahe jeder Lesung, jedem Vortrag erlebe. Fast überall gibt es Islamhasser im Publikum, die nicht am Dialog interessiert sind, sondern, spiegelbildlich zu den Salafisten, nur ihre Wahrheit verbreiten wollen. Sie werden durch solche Berichterstattung ermutigt, und der Islamhass wird weiter in die Mitte der Gesellschaft getragen - mit unkontrollierbaren Folgen. Medienvertreter haben Verantwortung, die über die Frage hinausgeht, wie sich wohl welcher Titel verkaufen mag.

Die Folgen der Stimmungsmache spüre ich mittlerweile fast täglich. Vergangene Woche las ich in Köln gemeinsam mit meinem jüdischen Co-Autor Michael Rubinstein aus unserem Buch: "So fremd und doch so nah" über das Verhältnis von Juden und Muslimen. Wir durften in einer Synagoge lesen. Den ersten Wortbeitrag aus dem Publikum übernahm ein aufgebrachter Herr, der die folgende Stunde nutzte, seine Pauschalkritik immer wieder lautstark, zur Not anderen ins Wort fallend, kund zu tun. "Der Protest 'Hooligans gegen Salafisten' in Köln sei nichts als eine legitime Meinungsäußerung", blaffte er mich an. Solche Äußerungen kann ich inzwischen (leider) ganz gut wegstecken. Woran ich mich aber nicht gewöhnen kann und will: dass niemand im Saal dem Mann widersprach.

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Zwei Tage später. Wieder Köln. Dieses Mal sitze ich mit christlichen und jüdischen Vertretern auf einem Podium, das der Deutschlandfunk und Kölner Stadt-Anzeiger zum Thema "Glaube und Gewalt" ausgerichtet hat. Hier schleuderte mir nun ein empörter Mitbürger entgegen, dass "wir Deutschen die Schnauze voll von Euch Muslimen haben". Nach der Veranstaltung versuchte ein anderer Mann, älteren Damen zu erklären, dass sie so schnell wie möglich Hab und Gut verkaufen sollten: Köln werde in naher Zukunft islamisiert. Kein Witz!

Die notwendige Debatte benötigt Differenzierung

Ich glaube, es gibt inzwischen keine Gruppe auf der Welt, die so offen, hart und schonungslos kritisiert wird wie die Muslime. Selbstverständlich geschieht das in vielerlei Hinsicht zu Recht. Muslime bieten leider genügend Anlass zu Kritik und Entsetzen - das darf nicht verschwiegen werden. Aber wichtige und notwendige theologische und politische Debatten rund um den Islam lassen sich nicht durch das Verbreiten von Stereotypen erreichen, von Denunziationen, die mit dem Deckmantel aufklärender Kritik getarnt werden. Vielmehr müssen die Kräfte gestärkt werden, die den Dialog führen wollen, die gegen Missstände in den eigenen Reihen angehen. Dazu ist aber Differenzierung unerlässlich.

In dem Focus-Titel heißt es an einer Stelle: "Der Islam unterdrückt die Frauen. Dieser Punkt bedarf keiner ausführlichen Begründung." Man muss offenbar nicht mehr argumentieren, sich mit dem beschäftigen, was man kritisiert, ist sowieso alles klar. Ungefähr so differenziert argumentieren auch jene Fundamentalisten, die "den Westen" als kolonialistisch und moralisch verderbt diffamieren - Beispiele dafür gibt es genug, aber das eine beschreibt "den Westen" genauso wenig wie das andere "den Islam". Wer so vereinfacht, betreibt geistige Brandstiftung.

In der Konsequenz ist diese Stimmungsmache das Futter, das die islamischen Extremisten nährt. Die Salafisten locken Jugendliche mit dem Argument: der Westen hasst den Islam. Weiß man doch, muss man gar nicht groß erklären. Künftig können sie als Beleg den Focus-Titel hochhalten. Unser sozialer Friede hängt am seidenen Faden. Wer den Frieden will, sollte nicht an diesem Faden ziehen.

Lamya Kaddor, 36, ist Islamwissenschaftlerin, Religionslehrerin, Autorin und Vorsitzende des liberal-islamischen Bundes. Dass auch Schüler von ihr in den Dschihad ziehen wollten, empfand sie als persönliche Niederlage.

© SZ vom 17.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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