Handelspolitik:Ungleiche Partner

Lesezeit: 2 min

Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries war diese Woche in Washington, um Genaueres über den künftigen Kurs der US-Regierung in Erfahrung zu bringen. Richtig viel hat es nicht genützt: In Berlin rätselt man weiter über die amerikanischen Absichten.

Von Michael Bauchmüller

Was eigentlich aus Deutschland in die USA exportiert wird, ist eine nicht unwesentliche, aber anscheinend auch keine leicht zu klärende Frage. Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und der amerikanische Handelsbeauftragte Robert Lighthizer jedenfalls kamen da auf keinen gemeinsamen Nenner. "Er meinte, dass wir vor allen Dingen fertige Produkte liefern", berichtete Zypries nach einem Treffen mit Lighthizer, "während ich ihm gesagt habe, wir liefern vor allem Maschinen und Anlagen." Die Faktenlage wolle man gemeinsam "nun noch einmal angucken". Immerhin das.

Der Unterschied ist nicht rein statistischer Natur, er führt weit in den schärfsten Streit zwischen Berlin und Washington: den gigantischen deutschen Handelsbilanzüberschuss. Wären es nur fertige Produkte, die aus Deutschland in die USA verschifft werden, dann könnte "Made in Germany" tatsächlich "Made in U. S. A." verdrängen. Mit Maschinen und Anlagen aus Deutschland könnte dagegen die amerikanische Industrie selbst produzieren. Das wiederum könnte die US-Exporte nach Europa wachsen lassen, und wenn die Deutschen mehr davon konsumieren, sinkt auch der Handelsbilanzüberschuss. So die Theorie. In der Praxis ist es anders: Die US-Wirtschaft, belehrte Zypries den Handelsbeauftragten, müsse wettbewerbsfähiger werden. Allerdings habe es in dieser Frage "zweifelsohne" Differenzen gegeben, räumt sie ein.

Seit Jahren importieren die USA mehr aus Deutschland, als sie dorthin exportieren

Tatsächlich ist das Defizit mit den USA seit Jahren nahezu konstant. 2016 belief sich der Saldo aus Ausfuhren und Einfuhren auf knapp 50 Milliarden Euro. Die USA führten zwar Waren im Wert von mehr als 100 Milliarden Euro aus Deutschland ein, aber nur halb so viel nach dort aus. Schon deshalb stecken in der Handelspolitik die größten Streitfragen bei Donald Trumps Europa-Besuch. Die USA drohen mit Anti-Dumping-Maßnahmen gegen deutsche Stahlimporte und stellen die Welthandelsorganisation WTO infrage, sie liebäugeln mit Außenzöllen und stornieren Handelsabkommen wie jenes mit den Pazifikstaaten. "Dahinter steht eine große Fehleinschätzung", sagt Matthias Machnig, für Handelsfragen zuständiger Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. "In den USA herrscht der Eindruck, die Handelsabkommen seien schuld an der schlechten Wettbewerbsfähigkeit." Dabei brauche eine schlagkräftige Industrie neben innovativen Firmen und qualifizierten Fachkräften gerade auch enge Handelsbeziehungen.

So bleibt die Handelspolitik eine der heikelsten Fragen im transatlantischen Verhältnis, auch vor dem Treffen des Staaten-Klubs G 20 im Juli in Hamburg. Ob sich die Sache noch entspannt? Wenigstens hat sich Wilbur Ross, Trumps einflussreicher Handelsminister, bei Zypries' Besuch eine kleine deutsche Flagge ans Revers geheftet, gekreuzt mit einer amerikanischen. Im Berliner Wirtschaftsministerium würde man das gern als Zeichen sehen.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: