Handel:Aufs Schlimmste gefasst

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Im Sitzungssaal des neuen Ratsgebäude sind die EU-Regierungschefs um einen Tisch vesammelt. (Foto: Stephanie Lecocq/dpa)

Europas Regierungen sehen US-Präsident Trump inzwischen als Gegner. Im Handelsstreit wollen sie ihm geschlossen entgegentreten. Und es gibt einen unerwarteten Vermittler.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Es war ein Gipfeltreffen, das sie so schnell nicht vergessen werden. Brutal und erniedrigend sei es zugegangen, erzählt einer, der dabei war. Ein großer Schock, aber immerhin auch ein Moment der Klarheit: Mit diesem US-Präsidenten muss sich Europa auf das Schlimmste gefasst machen. Das Beben, das Donald Trump beim G-7-Treffen in Kanada Anfang des Monats ausgelöst hatte, ließ die Staats- und Regierungschefs auch an diesem Gipfelabend in Brüssel nicht los.

Es obliegt zunächst Donald Tusk, all jenen, die in Kanada nicht dabei waren, noch einmal zu verdeutlichen, was auf dem Spiel steht: Nicht weniger als die auf gemeinsamen Regeln basierende Weltordnung, die der Westen nach dem Zweiten Weltkrieg entworfen hat. "Wir müssen uns auf Worst-Case-Szenarien vorbereiten", sagte Tusk. Der "Schock von Charlevoix" sitzt tief. Und er beschränkt sich nicht nur auf den Zollstreit, den Trump mit den Europäern angefacht hat. Nein, es geht im Konflikt mit den USA um viel mehr.

In Kanada saß Tusk zusammen mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an einem Tisch in der zweiten Reihe, als das mittlerweile berühmte Foto geschossen wurde: Der mit verschränkten Armen sitzende Trump, umringt von den Staatenlenkern der anderen G-7-Länder. In den Augen der Europäer ist dieses Bild ein Dokument der Respektlosigkeit. Aber eben auch ein Moment, in dem sie zueinander fanden. Es war ein Tag, an dem allen bewusst wurde: Die EU kann diesem Mann im Weißen Haus nur geschlossen gegenübertreten. Tut sie das nicht, lässt sie sich gar spalten, ist sie verloren.

Das ist dann auch die Botschaft dieses EU-Gipfels in Brüssel: Europa hält an jenen Werten fest, die es zu Wachstum und Wohlstand gebracht haben. "Die Europäische Union muss auf alle Maßnahmen, die eindeutig protektionistischer Art sind, reagieren", heißt es in den Schlussfolgerungen. Zugleich stellen sich die EU-Spitzen in dem Text noch einmal "uneingeschränkt" hinter die bereits beschlossenen Gegenmaßnahmen auf Trumps Stahl- und Aluminiumzölle. Dazu gehören Vergeltungszölle auf US-Produkte sowie eine Klage bei der Welthandelsorganisation WTO. Deren Schlagkraft wollen die Staats- und Regierungschefs der EU deutlich erhöhen, "etwa durch flexiblere Verhandlungen, durch neue Regelungen ... im Bereich der Industriesubventionen, des geistigen Eigentums und der erzwungenen Technologietransfers". Ansonsten ist die Europäische Union fest entschlossen, "weiterhin mit wichtigen Partnern in der ganzen Welt ehrgeizige, ausgewogene und für beide Seiten vorteilhafte Handelsabkommen auszuhandeln und für ihre Werte und Standards einzutreten".

Sogar in Sachen Trump gibt es ein wenig Hoffnung. Während die Gespräche über den Zollstreit festgefahren sind, hat der US-Präsident Juncker ins Weiße Haus eingeladen. "Ich werde noch vor Ende Juli in Washington sein", sagte der Kommissionspräsident am Freitag. Dort wolle er "dem Kollegen Trump" erklären, was er ihm schon in Kanada gesagt habe: Dass die EU gegenüber den USA ein Handelsdefizit habe, wenn man neben Waren auch Dienstleistungen und die Geschäfte der Digitalkonzerne miteinbeziehe.

So sehr Trump die Europäische Union auch ablehnt, so scheint er doch in Juncker jemanden gefunden zu haben, mit dem er immerhin noch reden mag. Beim denkwürdigen G-7-Gipfel in Kanada soll Trump immer wieder nach ihm gefragt haben: "Wo ist Jean-Claude? Er ist ein guter Mann." Doch auch diese vermeintlich netten Worte änderten nichts an Trumps Haltung im Handelsstreit. Die Europäer geben sich an diesem Gipfelabend in Brüssel keinerlei Illusion hin. Sie machen sich auf das Schlimmste gefasst.

© SZ vom 30.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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