Haiti:Die rätselhafte Rückkehr von "Baby Doc"

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Während seiner Herrschaft wurde Haiti wirtschaftlich ruiniert und Zehntausende kamen gewaltsam um. Warum kehrt Jean-Claude Duvalier nun, nach 25 Jahren im Exil, in seine Heimat zurück?

Wolfgang Jaschensky

Der 16. Januar 2011 sollte ein wichtiger Tag für Haiti werden. An diesen Termin war die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen vorgesehen, die dem Land den Weg in eine bessere, demokratische Zukunft weisen sollte. Ein kleiner Hoffnungsschimmer für das Armenhaus Amerikas, das sich noch immer nicht von dem verheerenden Erdbeben vor einem Jahr erholt hat und von einer Cholera-Epidemie geplagt wird.

Jean-Claude Duvalier winkt seinen Anhängern vom Balkon des Hotels Karibe in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince zu. (Foto: Getty Images)

Doch diese Chance wurde im Keim erstickt. Der erste Wahlgang wurde von gewaltsamen Ausschreitungen überschattet, Vorwürfe massiver Wahlfälschung führten dazu, dass der zweite Wahltermin auf Februar verschoben werden musste.

Trotzdem wird der 16. Januar in die Geschichte des Karibikstaates eingehen. Denn just an dem Tag, an dem der Ausfall der Wahlen das massive Machtvakuum in Haiti greifbar machte, kehrte der Mann zurück, der die Geschicke des Landes mehr als 15 Jahre gelenkt hat: Jean-Claude Duvalier, besser bekannt als "Baby Doc".

Nach 1971 hatte er die Gewaltherrschaft seines Vaters François "Papa Doc" Duvalier fortgeführt. Der Diktator lebte in unvorstellbarem Luxus, während er das Land vollständig ruinierte. Menschenrechtsorganisationen rechnen vor, dass 30.000 Menschen während seines Regimes gewaltsam umkamen. Nachdem Duvalier letztlich auch die Unterstützung des Militärs verspielt hatte musste er 1986 - mit seiner Frau, den beiden Kindern und einigen hundert Millionen Dollar im Gepäck - nach Frankreich fliehen, wo er bis Sonntag unbehelligt lebte.

Am Sonntagnachmittag Ortszeit betrat der heute 59-Jährige dann erstmals seit einem Vierteljahrhundert wieder haitianischen Boden. Der Mann, dem Menschenrechtler Massaker und Folter vorwerfen, stieg auf dem Flughafen von Port-au-Prince unter dem Jubel einiger Anhänger aus einer Air-France-Maschine, zeigte sich später auf einem Balkon des Hotels Karibe und winkte Anhängern zu. Ein Mitarbeiter sagte, Duvalier sei froh, wieder zu Hause zu sein. Er sei nach dem langen Flug müde und werde noch an diesem Montag zu Journalisten sprechen.

Haitis Regierung zeigte sich überrascht von Duvaliers Rückkehr. Eine Sprecherin kündigte an, ein mögliches Vorgehen gegen Duvalier zu prüfen. Präsident René Préval hatte während seiner ersten Amtszeit versichert, Duvalier werde im Falle einer Rückkehr sofort verhaftet. Auch Menschenrechtler fordern ein Verfahren. "Duvalier muss sich darauf einstellen, vor Gericht zu zahlreichen Verbrechen Stellung zu nehmen, die er während seiner Herrschaft begangen hat", sagte Pierre Espérance, Vertreter des Nationalen Netzwerks zur Verteidigung der Menschenrechte (RNDDH) in Haiti.

Das scheint der frühere Machthaber aber nicht zu fürchten. Günther Maihold, Lateinamerika-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik, rechnet nicht mit einem Prozess gegen Duvalier: "Es gibt keine Anklage gegen ihn und die Beweislage ist schwierig, weil sein Gewaltapparat extrem verdeckt agiert hat."

Außerdem fehlen dem krisengeplagten Land derzeit schlicht die Autoritäten, die für ein Verfahren dieser Größenordnung notwendig wären. Auch deshalb dürfte sich Duvalier weitgehend sicher fühlen. Und deshalb dürfte er auch nach Haiti zurückgekehrt sein. Duvalier selbst sagte einem Radiosender, er sei "gekommen, um zu helfen". In welcher Rolle er helfen wolle, das sagte er nicht.

Sicher ist aber, dass einige Duvalier-Vertraute sich seit längerem für seine Rückkehr eingesetzt und eine Stiftung gegründet haben, um das Ansehen des Ex-Diktators aufzupolieren und seine Partei wiederzubeleben. Noch kann kein Beobachter mit Sicherheit sagen, welche Absichten Duvalier verfolgt - eine Rückkehr in die Politik ist aber nicht auszuschließen.

Unabhängig davon, ob ihm das gelingt, fürchtet Lateinamerika-Experte Maihold, dass die Heimkehr "Baby Docs" die angespannte politische Situation in Haiti weiter verschlechtert. "Die Polarisierung des Landes wird weiter zunehmen. Jetzt fehlt nur noch, dass auch Aristide zurückkommt." Jean-Bertrand Aristide folgte Duvalier nach, musste aber seinerseits im Jahr 2004 aus Haiti fliehen.

Sicher ist, dass die noch ausstehende zweite Runde der Präsidentschaftswahlen nicht leichter wird. Wahlen waren in Haiti immer von Gewalt begleitet. Die Phase nach der Wahl sei wichtiger als die Wahl selbst, sagt Maihold. Und das könnte die Zeit von Jean-Claude Duvalier werden.

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