Grüne:Hart im Gegenwind

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Die Partei versucht, endlich zu verstehen, wieso sie in den Bundesländern im Osten immer wieder so schlecht abschneidet.

Von Constanze von Bullion

„Der Weg ist eben ein Weg“: Grünen-Chef Robert Habeck und die Thüringer Spitzenkandidatin Anja Siegesmund. (Foto: John MacDougall/AFP)

Es gab schon mal glücklichere Gesichter zu besichtigen in Berlin, so viel steht fest. Am Tag nach der Wahl in Thüringen zeigte sich die Grünenspitze zerknirscht und auf weite Strecken auch ratlos. "Der Weg ist eben ein Weg", sagte ein abgekämpfter Robert Habeck. Der Bundesvorsitzende der Grünen erschien am Montagmittag mit der Thüringer Spitzenkandidatin der Grünen, Anja Siegesmund, vor der Hauptstadtpresse. Ganz verderben lassen allerdings wollten die beiden sich die Laune nicht. "Nirgendwo steht geschrieben, dass der Wind immer nur von hinten kommt", sagte Habeck. Und dass er keinen Grund sehe, in der Klimapolitik vom grünen Weg abzuweichen, auch nicht in Ostdeutschland.

5,2 Prozent haben die Grünen in Thüringen geholt. Trotz Mitgliederzuwachses, trotz fünfjähriger Beteiligung am rot-rot-grünen Regierungsbündnis in Erfurt und trotz Rückenwinds aus dem Bund hat die Partei ein Ergebnis eingefahren, das um 0,5 Prozent unter dem von 2014 liegt. Für die Grünen, die ihren eigenen Wahlkampf als besonders engagiert empfunden hatten, ist das enttäuschend.

Man habe die Breite der Gesellschaft nicht erreichen können, sagte die Grünenvorsitzende Annalena Baerbock noch in der Wahlnacht. "Wir haben es nicht geschafft, gerade in strukturschwache Regionen vorzudringen." Die Thüringer Grünen, der kleinste Landesverband der Partei, habe im Wahlkampf "harten, harten Gegenwind" erlebt, insbesondere beim Klimaschutz. In dem ländlich geprägten Bundesland, in dem es anders als in Brandenburg oder Sachsen keine größeren Städte wie Leipzig oder Potsdam gebe, hätten die Grünen es eben schwerer. Das urbane, oft grünen-affine Publikum fehle.

"Das Ergebnis kann uns nicht zufriedenstellen", sagte die Thüringer Spitzenkandidatin und Umweltministerin Anja Siegesmund am Montag in Berlin. Man werde die nächsten Wochen mit der "Denksportaufgabe" zubringen, woran es denn nun eigentlich gelegen habe.

In Brandenburg trotz überragender Umfragen am Ende nur bei gut zehn Prozent gelandet, in Sachsen trotz Zuwachses unter zehn Prozent, in Thüringen nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde genommen - die grüne Bilanz nach drei ostdeutschen Wahlen bleibt hinter den Erwartungen zurück. Dass jetzt Schluss sei mit der grünen Welle im Bund, das will die Grünenspitze selbstredend nicht gelten lassen. Thüringen sei eben ein Sonderfall, heißt es. Intern allerdings werden erste selbstkritische Fragen laut. Ob es denn eigentlich klug gewesen sei, sich im Wahlkampf in Thüringen nur auf zwei politische Felder zu konzentrieren: auf Klimapolitik und auf die Rettung der Demokratie vor Rechtsextremisten? Letzteres nämlich, das Kleinhalten der AfD, wollten nicht wenige grünennahe Thüringer am Ende wohl lieber Bodo Ramelow überlassen, dem linken Ministerpräsidenten. Wie in Brandenburg mussten die Grünen der stärksten Regierungspartei Stimmen opfern. Und in der Debatte um den Ausbau der Windkraft kämpften sie vergeblich gegen die Erzählung der CDU, das ländliche Thüringen brauche für den globalen Klimawandel keine Verantwortung zu übernehmen.

"In Thüringen war der Wahlkampf noch härter als in Sachsen und Brandenburg", sagte Habeck am Montag. Der Umgang sei "geradezu unversöhnlich, fast unerbittlich" gewesen. Dabei hatte Habeck doch genau das Gegenteil propagiert, wollte mit versöhnlichen Gesten und sanftem Ton für neuen Zusammenhalt sorgen, auch zwischen Ost und West. Das sei "in dieser Polarisierung" nicht gelungen, räumte er ein. Inzwischen stelle er sich die Frage: "Wie geeint ist dieses Land eigentlich?"

Abschrecken soll all das die Grünen nicht. Es sei inakzeptabel, wenn demokratische Parteien sich nun "mit verschränkten Armen in irgendwelche Schmollecken" zurückziehen wollten, sagte Habeck mit Blick auf FDP und CDU. Den Grünen stehen jetzt wohl schwierige Gespräche bevor.

© SZ vom 29.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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