Neues Programm:Grüne wollen über ihre Grundsätze streiten

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  • Vor einem Jahr haben die Grünen beschlossen, ein neues Grundsatzprogramm mit Antworten auf die Zukunftsfragen zu entwickeln.
  • Ziel soll vor allem sein, mehr Teile der Gesellschaft anzusprechen als bisher.
  • Beim Konvent in Berlin will die Partei Zwischenbilanz ziehen.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Es ist ein aufwendiges Unternehmen, der sogenannte Programmprozess der Bündnisgrünen. Vor einem Jahr hat die Partei beschlossen, sich ein neues Grundsatzprogramm zu geben. Damals stiegen Führung und Basis bei einem Startkonvent in Berlin in einen Diskussionsprozess ein. Er soll grundsätzliche Zukunftsfragen beantworten: Wie kann Klimapolitik mit Technik versöhnt werden? Was ist grüne Gerechtigkeit, was eine zeitgemäße Haltung zu Marktwirtschaft, Teilhabe, Frieden? Und wie vielen Bündnispartnern kann eine Partei sich öffnen, ohne das Gesicht zu verlieren?

Endgültige Antworten, so viel sei mal verraten, sind noch nicht gefunden. Der grüne Programmprozess wird noch ein weiteres Jahr dauern. Von Freitag an aber will die Partei bei einem Konvent in Berlin schon mal eine Zwischenbilanz ziehen. "Veränderung in Zuversicht" heißt das zweitägige Treffen, bei dem Bundesgeschäftsführer Michael Kellner und die Parteivorsitzenden auf Tuchfühlung mit Neumitgliedern und grünen "Inputgruppen" gehen wollen, also mit der grünen Basis. Denn die Zeiten, in denen die Partei nur ein bisschen frecher und ökologischer sein musste als andere, sind vorüber.

"Wir wollen Orientierung geben und Handlungsfähigkeit herstellen in einer Zeit, in der das Parteiensystem sich deutlich verändert und die Zeit der festen Blöcke vorbei ist", sagte Parteichefin Annalena Baerbock, bevor es losging. "Wir richten uns an die Breite der Gesellschaft und nehmen das demokratische Gemeinwesen als Ganzes in den Blick."

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Wie breit genau die Gesellschaft sein soll, die sich künftig bei den Grünen zu Hause fühlen darf, blieb zunächst offen. An der Parteispitze jedenfalls ist man sich einig, dass Abschied genommen werden soll von mancher grünen Gewissheit, jedenfalls wenn die Partei auch im Bund mal wieder regieren will.

Von feministischer Außenpolitik bis hin zur Marktwirtschaft

"Die Gesellschaft wird immer differenzierter, alte Milieus lösen sich auf. Da müssen wir neue Bündnisse schmieden, basierend auf Grundwerten und mit klaren Zielen", sagte Parteichef Robert Habeck. Effektiven Klimaschutz etwa könnten die Grünen nicht allein durchsetzen. Die Partei soll sich also öffnen, breiter aufstellen, reden, auch mit Industrieverbänden, Kohlekumpeln, der CDU, auch wenn dieser potenzielle nächste Bündnispartner nicht eigens erwähnt wird.

Konsensfähigkeit herstellen für die Zeit nach den Volksparteien - so beschreibt Habeck nicht ohne Pathos die grüne Zukunft. Der Kurs stößt nicht bei allen auf Begeisterung. Beim Startkonvent 2018 gab es Ärger, weil die Parteispitze die traditionell ablehnende Haltung der Grünen zur Gentechnik abmildern wollte. Parteichefin Baerbock eckte an, weil sie das urgrüne Thema Frauen zunächst vergessen hatte.

Im Zwischenbericht zum Grundsatzprogramm reichen die Themen jetzt von feministischer Außenpolitik über "ein Finanzsystem im Dienst der Menschen" bis hin zur europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. "Die EU sollte viel stärker auf militärische Zusammenarbeit und Koordinierung setzen, um als Kontinent stärker europäische strategische Interessen - gerade innerhalb der Nato - vertreten zu können", steht da.

Und neben der Forderung nach bedingungsloser Garantiesicherung kommt auch die Marktwirtschaft zu neuen Ehren. "Der Wettbewerb zwischen Unternehmen ist die zentrale Triebfeder für Qualität, Innovation und Wohlstand", heißt es in dem Papier. Es darf gestritten werden.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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