Grüne:Doppelte Ladung

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Robert Habeck, unterwegs im Wattenmeer. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Kaum ein Politiker ist derzeit so populär wie der frisch gekürte Grünenchef. Aber warum braucht Robert Habeck acht Monate, um seinen Posten in Schleswig-Holstein zu räumen?

Von Peter Burghardt, Hamburg

Vor seinem bisher wichtigsten Wochenende im neuen Leben hatte Robert Habeck noch einen Termin im alten Leben. In Kiel tagte am Freitag der Landtag, und Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister sprach über die Afrikanische Schweinepest. Habeck warnte vor den Gefahren der Virusinfektion, die sich aus Osteuropa nähert; sie kann Menschen zwar nichts anhaben, aber Tieren. Es reiche bereits, wenn das Papier eines Mettbrötchens weggeworfen werde und an der Autobahn liege. "Ein Wildschwein frisst es, zack, haben wir die Seuche im Land."

Danach fuhr Habeck zum Bundesparteitag der Grünen nach Hannover und eroberte erwartungsgemäß sein überregionales Publikum. Der Flensburger wurde nicht nur wie geplant zum Bundesvorsitzenden gewählt, gemeinsam mit Annalena Baerbock. Er überzeugte die Delegierten auch von einem Sonderwunsch, der bei der grünen Basis ungefähr so beliebt ist wie Atomstrom. Acht Monate lang darf der neue Parteichef gleichzeitig Umweltminister in Schleswig-Holstein bleiben, obwohl die Trennung von Amt und Mandat zu den Grundfesten der Grünen gehört. "Ich brauche diese acht Monate", versicherte er. "Und wenn die nicht durchkommen, dann kann ich morgen nicht kandidieren." Sie kamen durch, er kandidierte und gewann.

Warum braucht Habeck acht Monate, um den Posten in seiner Heimat zu räumen? Wechseln andere Politiker nicht manchmal über Nacht den Job? Die Antwort auf diese Frage führt zurück zur Afrikanischen Schweinepest und zu den Wildschweinen, nach Flensburg und nach Kiel. Sie reicht in die Vergangenheit dieses derzeit so sagenhaft populären Politikers und natürlich auch nach Berlin, wo er von sofort an mit der Kollegin Baerbock die ganz reale Doppelspitze bildet.

In Lübeck wurde Robert Habeck 1969 geboren, in Schleswig-Holstein zog der Autor mit Philosophiestudium 2009 ins Landesparlament ein. Hier wurde er 2012 Umweltminister und stellvertretender Ministerpräsident. Das ist er bis heute, obwohl die Regierung aus Rot, Grün und Südschleswigschem Wählerbund bei den Wahlen 2017 ihre Mehrheit verlor und Jamaika übernahm. Statt Torsten Albig von der SPD wurde Daniel Günther von der CDU sein Chef.

Der Realo Habeck trug wesentlich dazu bei, dass dieses Bündnis zustande kam - der FDP-Landesvorsitzende und Sozialminister Heiner Garg ernannte ihn gerade zum "nach Wolfgang Kubicki zweitcoolsten Spitzenpolitiker Deutschlands", manche finden ihn cooler als Kubicki. Garg freut sich für Habeck - und bedauert, dass er im Laufe dieses Jahres abzieht. Er sei "ein extrem guter, angenehmer Kabinettskumpel", frisch und unkonventionell. "Wir bräuchten mehr von seiner Sorte."

Als möglicher Nachfolger wird Konstantin von Notz genannt, bisher Innenpolitiker in Berlin

Nach all den Jahren und bei all dem Lob lässt man seine Wurzeln nicht so ohne Weiteres zurück, das ist das eine. Wer mit Habeck schon mal durchs Watt wanderte, der berichtet zum Beispiel, dass der Minister ausgezeichnet Robben nachmachen kann. Man darf davon ausgehen, dass der neue Star der Grünen an dem Land zwischen den Meeren hängt und auch an seinem Umweltministerium, das inzwischen Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung heißt.

Seinem Nachfolger will er ein bestelltes Feld hinterlassen, wer auch immer das sein mag. Die Rede ist von Konstantin von Notz, wobei der Jurist als Experte für Netz und Inneres und Fraktionsvize im Bundestag sitzt. Karrieremäßig hat ihn Habeck überholt. Es fielen außerdem die Namen des früheren Umweltministers Klaus Müller und vormaliger Kollegen aus anderen Bundesländern.

Die Grünen im Norden sind froh, dass sie sich bei der Suche nach Ersatz Zeit lassen können. "Robert hat das Profil der Partei nach außen sehr stark gezeichnet", sagt der Mitstreiter Rasmus Andresen, zugleich Vizepräsident des Kieler Landtags. Er war für diese achtmonatige Übergangszeit, "das lässt uns Spielraum". Es sei ja klar gewesen, "dass er nach Berlin will". Aber an der Kieler Förde hat Habeck noch allerhand vor.

Habeck wolle die Energiewende mit Windkraft so auf den Weg bringen wie im Koalitionsvertrag vereinbart, heißt es. Themen wie Düngerecht, Küstenschutz oder der Ausbau mit Glasfaser stehen ebenfalls auf dem Programm des doppelten Habeck, ehe im Frühherbst der mutmaßlich nostalgische Abschied ansteht. Und es geht darum, die Afrikanische Schweinepest auf Distanz zu halten sowie Kritiker, die es bei all der Verzückung noch gibt.

Ein leicht vergifteter Glückwunsch kam von Ralf Stegner, dem Anführer des vormaligen Koalitionspartners. Habecks großes Werk sei es, "dass er die Grünen in alle Richtungen geöffnet hat", findet der SPD-Landesvorsitzende. "Für ihn unerwartet ist Herr Lindner in Berlin im Gegensatz zu Herrn Kubicki in Schleswig-Holstein seinem Werben für eine schwarze Ampel nicht erlegen." Wildschweine sind für Habeck trotzdem fürs Erste gefährlicher als Stegner.

© SZ vom 30.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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