Brexit-Debatte:Regionalwahlen in Großbritannien - Ein Test, kein Urteil

Lesezeit: 2 min

Premier David Cameron bei einem Wahlkampfauftritt in Peterborough. (Foto: AFP)

Die Ergebnisse lassen kaum einen Schluss auf das Brexit-Referendum zu. Wenigstens aber wurde das pro-europäische Labour-Lager nicht zerrupft, und Schottland bleibt eine EU-Bastion.

Kommentar von Christian Zaschke

Vielleicht die wichtigste Frage, die sich mit den Regionalwahlen in Großbritannien verknüpft, ist die, inwieweit die Abstimmung als Stimmungstest für das Referendum über die EU-Mitgliedschaft im Juni gelesen werden kann. Grundsätzlich haben die beiden Wahlen nichts miteinander zu tun, weil es am Donnerstag vorwiegend um lokale Themen ging. Aber zwischen den Zeilen verbergen sich doch einige Hinweise.

Für einen Verbleib Großbritanniens in der EU sind die Stimmen der Labour-Wähler entscheidend. Die Konservativen sind bei dem Thema gespalten, obwohl Premierminister David Cameron sich mit aller Macht für ein Ja zur EU einsetzt - was im Übrigen nicht unbedingt etwas mit seinen Überzeugungen zu tun hat, sondern damit, dass ein Nein eine schwere persönliche Niederlage für ihn wäre, die sein politisches Erbe dauerhaft beschädigte.

Es könnte die EU-Freunde auf der Insel und auf dem Kontinent also beunruhigen, dass Labour besonders in Schottland so schwer verloren hat und hinter den Konservativen nur noch drittstärkste Kraft ist. Dass die Tories nördlich des Hadrianswalls mehr Stimmen als die Labour-Partei sammelten, passierte zuletzt 1955.

In Bezug auf das EU-Referendum ist Labours historische Niederlage in Schottland allerdings nicht so bedeutsam, da die Anhänger der regierenden Scottish National Party (SNP) sehr europafreundlich sind. Tatsächlich wollen viele SNP-Leute sogar deutlich lieber in einer Union mit dem Kontinent verbunden sein als mit den Nachbarn im Süden.

Auch in Wales hat Labour einige Sitze verloren, welche die Partei mehr oder weniger seit Anbeginn der Zeit gewonnen hatte. Das wiederum ist kein gutes Zeichen für das Referendum, zumal die EU-feindliche UK Independence Party (Ukip) erstmals Sitze in Wales erringen konnte. Bisher galt als sicher, dass Schottland, Nordirland, London und eben Wales für den Verbleib in der EU stimmen würden. Hinter Wales steht nun ein Fragezeichen.

Glimpfliche Niederlage für Labour

Landesweit hat Labour rund sechs Prozent eingebüßt. Das ist viel, aber bei Weitem nicht so viel, wie erwartet worden war. Die Partei hatte sich zuletzt in einem chaotischen Zustand präsentiert. Mindestens 50 Mitglieder sind wegen antisemitischer Äußerungen suspendiert worden, und es tat dem Image der Partei auch nicht unbedingt gut, dass der ehemalige Londoner Bürgermeister Ken Livingstone sich zu der Aussage verstieg, Adolf Hitler sei Zionist gewesen, bevor er durchgedreht sei. Die politischen Beobachter hatten eine verheerende Niederlage mit dem Verlust von 150 bis 200 Sitzen prophezeit. Ausgezählt wird noch bis Sonntag, aber es sieht so aus, als würden sich die Verluste auf lediglich drei Dutzend Sitze beschränken - bei 2747 zu vergebenden Sitzen eine überschaubare Zahl.

Mit Blick auf das EU-Referendum lässt es sich als gutes Zeichen deuten, dass die Niederlage glimpflich ausgefallen ist, insbesondere, da es landesweit keine nennenswerte Wählerwanderung zur Ukip gegeben hat. Zudem hat sich Labour besonders im eher europaskeptischen Süden Englands behauptet. Dass sich der europafreundliche Labour-Kandidat Sadiq Khan bei der Wahl zum Londoner Bürgermeister gegen den EU-skeptischen Konservativen Zac Goldsmith durchgesetzt hat, ist für Europa-Freunde sogar ermutigend. Es würde nun sicherlich zu weit gehen, in dieser Wahl ein pro-europäisches Signal auszumachen. Festhalten lässt sich jedoch: Bis zum Referendum liegen sieben turbulente Wochen vor dem Vereinigten Königreich; aber noch stehen die Zeichen nicht auf Sturm.

© SZ vom 07.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Regionalwahlen in Großbritannien
:Nationalisten gewinnen schottische Parlamentswahl

Die Unabhängigkeitspartei SNP holt bei der Wahl des schottischen Parlaments die meisten Sitze. Die Wahlen in Großbritannien gelten als Stimmungstest für den Brexit.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: