Großbritannien:Bank of England senkt Leitzins auf Rekordtief

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Weil die britischen Währungshüter eine Rezession nach dem Brexit-Votum fürchten, greifen sie zu drastischen Maßnahmen. Der Zins sinkt auf niedrigsten Stand seit 322 Jahren - und könnte künftig noch tiefer fallen.

Von Harald Freiberger und Lea Hampel, München

Die britische Notenbank bekämpft den wirtschaftlichen Schock nach dem Brexit-Referendum mit drastischen Schritten. Zum ersten Mal seit März 2009 senkten die Londoner Währungshüter am Donnerstag den Leitzins - von bisher 0,5 auf 0,25 Prozent. Das ist das tiefste Niveau überhaupt seit Gründung der Bank of England vor 322 Jahren. Zusätzlich kündigte die Notenbank aber an, dass sie bereit ist, den Leitzins bis auf 0,0 Prozent zu drücken. Außerdem weitet sie ihr Programm zum Kauf von Anleihen aus. Vor allem diese Schritte werteten Ökonomen als überraschend - und als Zeichen dafür, wie groß die Sorge der Notenbank ist.

"Das ist ein Paukenschlag heute", sagte Jens Kramer, Volkswirt der NordLB. Es zeige, wie schwerwiegend die Bank of England die Folgen des Brexit einschätze. James Knightly von der Bank ING-Diba sprach von einen "Anreiz mit dem Vorschlaghammer". Er äußerte aber Zweifel, ob es gelingen werde, damit eine Rezession zu vermeiden.

Das Referendum für den EU-Austritt hatte am 23. Juni stattgefunden. Auf ihrer Sitzung im Juli hielt die Bank of England noch still. Sie begründete dies damit, dass es noch zu wenige verlässliche Daten über die Folgen gebe. Umso heftiger fallen ihre Maßnahmen nun drei Wochen später aus. So soll das Kaufprogramm von Staatsanleihen um 60 Milliarden auf 435 Milliarden Pfund (514 Milliarden Euro) aufgestockt werden. Erstmals will die Notenbank auch Unternehmensanleihen über zehn Milliarden Pfund kaufen.

Diese Schritte erinnern an das Vorgehen der Europäischen Zentralbank. Die Bank of England war bisher mit ihrer Geldpolitik hinter den Frankfurter Währungshütern zurückgeblieben, weil sich die britische Wirtschaft nach der letzten Zinssenkung im Jahr 2009 besser entwickelt hatte als jene der Euro-Zone.

Der Brexit hat die Lage abrupt verändert. Die Bedingungen für den Austritt aus der EU sind zwar noch unklar, doch in der britischen Wirtschaft herrscht Unsicherheit, ob die Unternehmen künftig noch unbeschränkten Zugang zum EU-Binnenmarkt haben. Diese Sorgen drücken die Konsumlaune der Verbraucher und die Bereitschaft der Unternehmen zu investieren. Die Aussichten für die britische Wirtschaft hätten sich deutlich abgeschwächt, erklärten die Währungshüter. Sie betonten aber, dass sie nicht mit einem Abrutschen in die Rezession rechnen. Das wäre der Fall, wenn die Wirtschaftsleistung zwei Quartale in Folge sinkt. Der Industrieverband CBI schätzt in seinem Barometer, dass die Zahl der Aufträge im dritten Quartal auf tiefsten Stand seit Januar 2012 fällt. Eine Umfrage zeigte, dass die Wirtschaft im Juli so stark schrumpfte wie zuletzt vor sieben Jahren. "Die Dominosteine beginnen zu fallen", sagte Leith Khalaf vom Finanzdienstleister Hargreaves Lansdown.

Nach dem Zinsentscheid brach der Kurs des Pfund weiter ein; es verlor gegenüber dem Euro 1,4 Prozent. Die Börsen reagierten positiv auf die Geldschwemme: Der britische Leitindex Footsie gewann 1,6 Prozent.

© SZ vom 05.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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