Griechische Präsidentschaftswahl:Suche nach dem Erlöser

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Antonis Samaras ist seit 2009 ist er Vorsitzender der konservativen Partei Nea Dimokratia und seit dem 20. Juni 2012 Griechenlands Ministerpräsident. (Foto: Getty Images,)

Griechenlands konservativer Premier Samaras will den Linken Fotis Kouvelis als Präsidentschaftskandidaten nominieren, um seine Koalition zu retten. Alexis Tsipras, Chef der radikallinken Oppositionspartei Syriza, spottet über die Pläne - obwohl Kouvelis auch als möglicher Partner von Syriza gehandelt wird.

Von Christiane Schlötzer, Athen

Alexis Tsipras hat gerade sein Regierungsprogramm für die ersten 100 Tage präsentiert. Er ist Chef der größten griechischen Oppositionspartei, der radikallinken Syriza. Ein Datum für die nächste Parlamentswahl gibt es nicht, aber sie könnte schneller kommen, als es dem konservativen Premier Antonis Samaras und seinem sozialistischen Partner und Außenminister Evangelos Venizelos lieb ist. Denn im Februar braucht Griechenland einen neuen Staatspräsidenten.

Karolos Papoulias, 85, kann nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren. Bekommt kein Bewerber im Parlament 180 von 300 Stimmen, löst dies nach der Verfassung automatisch Neuwahlen aus. Samaras Nea Dimokratia (ND) und die Pasok-Sozialisten von Venizelos bringen es zusammen nur auf 154 Sitze. Da scheint das Ende nah zu sein.

Nun aber haben Samaras und Venizelos einen Personalvorschlag ersonnen, mit dem sie ihre Regierung retten wollen, wie die gewöhnlich gut unterrichtete konservative Zeitung Kathimerini schreibt. Den Erlöser soll ein Linker spielen: Fotis Kouvelis.

Der 65-Jährige galt lange als einer der beliebtesten Politiker Griechenlands, und er ist ein Rivale des 25 Jahre jüngeren Tsipras. Der hat Kouvelis 2008 den Syriza-Vorsitz abgejagt. Danach schuf der einstige Eurokommunist seine eigene "Demokratische Linke", abgekürzt Dimar. Die war von Juni 2012 an gar Koalitionspartner von Samaras und Venizelos, bis Kouvelis das Dreierbündnis ein Jahr später platzen ließ. Anlass dafür war die von Samaras über Nacht durchgesetzte Schließung des griechischen Staatssenders ERT. "Inakzeptabel" nannte dies der Jurist Kouvelis und sah demokratische Grundsätze verletzt.

Der Kandidat ist ein Joker im Rennen um das Präsidentenamt

Das Tischtuch war zerschnitten. Nun wollen Samaras und Venizelos den Riss offenbar flicken, mit Kouvelis als Joker im Präsidenten-Poker. Mit den 13 Abgeordneten der Dimar summiert sich die Mehrheit zwar noch nicht auf 180. Aber ein paar der gut 20 unabhängigen Abgeordneten - darunter Abweichler und Ausgestoßene verschiedener Formationen - dürften im Zweifel eher am Erhalt der Regierung interessiert sind als an Neuwahlen, bei denen sie kaum mehr Chancen hätten.

Tsipras, der Wahlen erzwingen will, hat die Gefahr schon erkannt, und rettet sich in Spott. Der Sonntagszeitung Real News sagte er: "Es gibt keine 180 Stimmen", es sei denn Samaras habe sie irgendwo "tiefgefroren". Syriza, versicherte Tsipras, werde jedenfalls erst "nach Neuwahlen" einen eigenen Präsidentschaftskandidaten aufstellen. Was seine Partei sonst noch im Fall eines Wahlsiegs tun will: Steuern senken, die neue Immobiliensteuer gleich ganz abschaffen, den Mindestlohn sowie Renten und Pensionen auf wieder Vorkrisen-Niveau bringen, und das Korsett der Kreditverträge mit der EU und dem Internationalem Währungsfonds (IWF) abschütteln. "Wir kommen nicht, um Griechenlands Unterwerfung zu verwalten, wir werden sie beseitigen", versichert Tsipras.

Der Präsidenten-Poker ist pikant

Auch Tsipras könnte nach einem Wahlsieg wohl kaum allein regieren. Bei der Europawahl im Mai lag Syriza zwar erstmals mit 26,6 Prozent fast vier Punkte vor der ND. Doch zur absoluten Mehrheit im Parlament würde dieses Ergebnis wohl kaum reichen - trotz eines in Griechenland zuletzt üblichen Zuschlags von 50 Abgeordneten für die stärkste Partei. Syriza hüllt sich aber über einen möglichen Partner grundsätzlich in Schweigen. Womöglich hieße dieser auch: Kouvelis. Der Präsidenten-Poker ist pikant.

Am Montag ließ Dimar-Sprecher Christos Machairas erst wissen, Samaras habe bei Kouvelis bislang nicht "offiziell" angeklopft. Später ließ aber ein Dimar-Abgeordneter durchblicken, man sei sich eigentlich schon einig. Machairas meinte auch, Entscheidungen würden im Licht der "politischen Gegebenheiten" gefällt. Kathimerini hat schon vermutet, dass Kouvelis für die Bereitschaft, für Samaras in die Bresche zu springen, etwas erwarten würde: einen Abschied von der harten Hand der Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank und spürbare Erleichterungen der Schuldenlast. Dies kann aber die Regierung in Athen nicht allein entscheiden. Die nächsten Gespräche mit der Troika sind für den 2. September in Paris geplant.

Aus dem Samaras-Büro gab es weder ein Dementi noch eine Bestätigung für die mögliche Präsidenten-Personalie. Die ist längst nicht das einzige Problem der Regierung. Der fällt es zunehmend schwer, einmal Beschlossenes oder Geplantes umzusetzen. Gegen die neue Immobiliensteuer laufen auch Koalitionsabgeordnete Sturm. Justizminister Haralambos Athanassiou musste nun zudem die Abstimmung über ein neues, von der EU seit Jahren angemahntes Antirassismus-Gesetz verschieben.

Fast 40 ND-Abgeordnete hatten zuvor kündigt, mit Nein zu stimmen, wenn das Gesetz nicht auch den "Genozid an den Griechen" im Osmanischen Reich erwähnt. Bischöfe hatten ebenso protestiert, weil die Pasok die Gleichstellung der Homosexuellen, wie sie die EU ebenfalls verlangt, noch in das Gesetz mit aufnehmen wollte.

© SZ vom 26.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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